26 1. Buch. Verfassung des preußischen Staates.
Bezüglich der Beschlagnahme von Briefen und Papieren sind maß-
gebend die §§ 99—111 St PO. und § 121 RKO. Das Brief-
geheimnis ist reichsgesetzlich gewährleistet durch § 5 des Postges. vom
28. Oktober 1871 (Rel. S. 347) und das Telegraphengeheimnis
durch das Telegraphenges. vom 6. April 1892 RGBl. S. 467.
3. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen
werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen sind
unstatthaft (Art. 7 Vu.). Vorstehende Bestimmung ist jetzt ersetzt
durch § 16 des GVG., welcher lautet:
Ausnahmegerichte sind unstatthaft, niemand darf seinem gesetzlichen
Richter entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegs-
gerichte und Standrechte werden hiervon nicht berührt.
Gemäß Art. 111 Vu., RV. Art. 68, preußisches Gesetz vom
4. Juni 1851 (GS. S. 451) kann Art. 7 zeit= und distriktweise
außer Kraft gesetzt werden.
4. Strafen können nur in Gemäßbheit des Gesetzes an-
gedroht oder verhängt werden (Art. 8 Vlu. § 2 StG#).
Art. 8 bezieht sich nicht nur auf gerichtliche Strafen, sondern auch
auf Straffestsetzungen der Verwaltungsbehörden, ausgenommen sind
exekutive Zwangsmaßregeln gemäß § 132 LV.
Da nach Art. 8 Strafen nur „in Gemähheit des Gesetzes“ angedroht
und verhängt werden müssen, so genügt eine gesetzliche Bestimmung,
in welcher die Befugnis, Straffestsetzungen zu treffen, delegiert ist.
5. Unverletzlichkeit des Eigentums. Diesen Grundsatz spricht
Art. 9 Satz 1 Vl. aus. Es handelt sich jedoch hier nur um einen
unmittelbaren Eingriff in das Eigentum. Es scheiden demnach
aus und unterliegen nicht dem Schutz des Art. 9 Beschränkungen des
Eigentums, die auf dem Nachbarrecht fußen, oder die auf Grund
polizeilicher Verfügungen und Anordnungen eintreten. Voraussetzung
der letztgedachten polizeilichen Beschränkungen ist aber, daß die polizei-
liche Anordnung nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen ergeht, durch
eine Gefahr in polizeilicher Hinsicht bedingt wird, die in anderer
Weise nicht beseitigt werden kann, und endlich daß die mögliche
Gefahr von dem betreffenden dritten bezw. dessen Besitz selbst ausgeht,
daß sie für ihre Person oder Sache die Handhabe zu dem polizeilichen
Einschreiten bietet. (OVG. E. Bd. 9 S. 354; Bd. 12 S. 397 ff.,
401 ff. und 24 S. 406.)
Die Befugnis der Polizeibehörde, die Abstellung polizeiwidriger
Zustände eines Grundstücks von dem Eigentümer ohne Rücksicht auf
privatrechtliche Verhältnisse zu verlangen, unterliegt insofern einer
Einschränkung, als sie, wenn ihr mehrere Mittel der Abhilfe zu Gebote
stehen, dasjenige wählen muß, welches möglichst wenig in privatrecht-
liche Streitgkeiten eingreift (OVG. E. Bd. 38 S. 447 in v. Kamntz
Erg. Bd. 1 S. 517). Aus Gründen der Wohlfahrts= und Schönheits-
pflege allein darf die Polizei nicht in das Privateigentum eingreifen.
(OVG. E. Bd. 39 S. 278, 415; Schultzenstein DJ Z. 1902 Nr. 2.)
Deshalb erging auch ein besonderes Gesetz, um den Landespolizei-
behörden die Verbotsbefugnis zur Verhinderung der Verunstaltung