§ 6. Die Staatsbürger. 27
landschaftlich hervorragender Gegenden, durch Reklameschilder, Auf-
schriften und Abbildungen (Ges. vom 2. Juni 1902 GS. S. 159 gegen
die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden) zu gewähren.
Nach Satz 2 des Art. 9 Vl. kann das Eigentum nur aus Gründen
des öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen
wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des
Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. Das Gesetz, welches die
Entziehung des Grundeigentums regelt, ist das Ges. vom 11. Juni
1874 über die Enteignung von Grundeigentum. Die durch besondere
Gesetze geregelte Enteignung von beweglichem Eigentum werden durch
dieses Gesetz nicht berührt. (Vgl. § 7 preußisches ALR. I, 11). Das
Enteignungsgesetz findet keine Anwendung auf die Entziehung oder Be-
schränkung des Grundeigentums im Interesse der Landeskultur, des
Bergbaues und der Landestriangulation; ferner in besonderen, reichs-
gesetzlich geordneten Fällen z. B. Ges. vom 7. April 1869, betreffend
Maßregeln gegen die Rinderpest (BGBl. S. 105), betreffend Ab-
wehr 2c. von Viehseuchen vom 23. Juni 1880 (RGBl. S. 153), über
die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 (REl. S. 129) und
über die Naturalleistungen vom 13. Februar 1875 (REBl. S. 52),
Ges. betr. die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung
von Festungen vom 21. Dezember 1871 (REBl. S. 150).
Die Frage, ob mit Rücksicht auf Satz 2 des Art. 9 auch in anderen
Fällen die Enteignung, insbesondere bei Entziehung des Eigentums
auf Grund polizeilicher Verfügungen oder Anordnungen stattfinden
muß, ist streitig. O. Gierke in seinem Deutschen Privatrecht Bd. 1
S. 125 bejaht fie schlechthin, indem er in allen Fällen, die einen
Eingriff in das Eigentum enthalten, einen Entschädigungsanspruch
gewährt, wobei der Entschädigungsanspruch je nach den Umständen
gegen den Staat oder gegen den Privaten, zu dessen Gunsten der
Eingriff erfolgte, zu richten ist, während andere (E. Löning, Ver-
waltungsrecht S. 254 ff. und Leuthold in Hirths Annalen 1884
S. 265), auch G. Meyer in seinem Lehrbuch des Deutschen Staater.,
in den hier gedachten Fällen die Entschädigungspflicht verneinen.
Eine Mittelmeinung geht dahin, daß ein Entschädigungsanspruch
in den hier gedachten Fällen nur dann gegeben sei, wenn er in einem
Spezialgesetz besonders vorgesehen sei, oder im einzelnen Falle auf
Grund besonderer Verhältnisse von der Verwaltung zugebilligt worden
ist (Rosin, Polizeiverordnungsrecht 2. Aufl. S. 149, Stölzel, Rechts-
weg und Kompetenzkonflikte S. 220 ff.).
6. Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung
der Religionsgesellschaften unter Beobachtung der Vorschriften über
das Vereinsgesetz, gemeinsamer häuslicher und öffentlicher Religions-
Ubung, Unabhängigkeit der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte
von dem religiösen Bekenntnis gewährleisten die Art. 12 und 17 der
Vl., in Verbindung mit dem RG. v. 3. Juli 1869 (BGl. S. 292).
Nach Art. 13 Vll. können die Religionsgesellschaften, sowie die geist-
lichen Gesellschaften, welche keine Korporationsrechte haben, diese Rechte
nur durch besondere Gesetze erlangen. Nach Art. 14 Vll. soll die