§ 128. Bauwesen. 1. Geschichtliches u. Allgemeines. 2. Entwicllung ꝛc. 459
sondern von den Hinterhäusern oder Hinterseiten der Vorderhäuser
ausgehen, und welche besonders in bergigen Gegenden ganze Ort-
schaften stark verunzieren können, ist auch das „Gesamtbild der Ort-
schaft" unter den Schutz des Gesetzes gestellt. § 1 des Entwurfs
hat daher folgende Fassung erhalten: Die Ortspolizeibehörde ist befugt,
Bauausführungen zu verbieten, welche die Straßen und Plätze oder
das Gesamtbild einer Ortschaft oder in landschaftlich hervorragenden
Gegenden das Landschaftsbild verunstalten, um die Möglichkeit zu
schaffen, die Errichtung störender Bauten oder die Vornahme von
unschön wirkenden Veränderungen an bestehenden Gebäuden, an
Straßen und Plätzen oder in der Nähe von Bauwerken von geschicht-
licher oder künstlerischer Bedeutung zu verhindern. Jedoch ist Voraus-
setzung der Untersagung der Bauausführung oder Veränderung, daß
durch diese die Eigenart des Orts= oder Straßenbildes beeinträchtigt
wird. Eine völlige Beseitigung von Gebäuden enthält dies Verbot
nicht, ebenso bezieht es sich nicht auf geschlossene Ortschaften, da in offen
bebauten Ortsteilen kaum je ein Anlaß zu derartigem Einschreiten
vorliegen wird. An der Erhaltung eigenartiger Orts= und Straßen-
bilder haben vornehmlich die Gemeinden selbst ein großes Interesse,
es ist deshalb den Gemeinden überlassen, die Rechtsgrundlage für die
Anwendung des Verbots durch Ortsstatuten zu schaffen, sofern ihrer
Meinung nach hierfür ein Bedürfnis vorhanden ist. Die Gestaltung
des Ortsstatuts im einzelnen hängt von den örtlichen Verhältnissen
und Bedürfnissen ab. Allgemein gültige Regeln können, wie in der
Begründung S. 8 hervorgehoben wird, in dieser Hinsicht nicht auf-
gestellt werden, da ein Bau, der seiner äußeren Erscheinung nach an
der einen Stelle unbedenklich zugelassen werden kann, an anderer
Stelle das Bild der Umgebung verunstalten wird. Je nach Lage der
örtlichen Verhältnisse werden hierbei die Höhenmaße und Umrißlinien,
die Dächer, Brandmauern und Aufbauten oder die angewandten Bau-
stoffe und die Farben der Außenarchitektur einen entscheidenden Ein-
fluß ausüben. Straßenzüge, die ein ausgesprochen architektonisches
Gepräge tragen, können durch Einfügung eines einzigen stillosen neuen
Hauses bereits verunstaltet werden. Ein bedeutsames Bauwerk, ein
Rathaus, eine Kirche auf oder an einem Platze bilden unter gewissen
Voraussetzungen für den Stadtteil eine Besonderheit; ein in der Nähe
solcher Bauwerke ausgeführter Neu= oder Umbau, für dessen Aus-
gestaltung unter Auherachllafsung ästhetischer Rücksichten lediglich
praktische Rücksichten maßgebend sind, kann unter Umständen zu einer
völligen Anderung des Straßenbildes, sowie zur Zerstörung jener
Besonderheit führen. Ist ein Ortsstatut erlassen, so liegt die Durch-
führung im Einzelfalle in der Hand der Polizeibehörde, zu deren
Kenntnis ohnehin die Anträge auf Genehmigung zur Errichtung von
Baulichkeiten und zur Vornahme von Anderungen an bestehenden
Grundstücken zum Zwecke der baupolizeilichen Prüfung gelangen
(ähnlich dem § 11 des Ges. vom 2. Juli 1875 GS. S. 561).
Werden durch die infolge des Verbotes notwendigen Anderungen des
Bauentwurfes die Kosten der Ausführung wesentlich vermehrt, so