566 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung.
die Mitwirkung bezw. Entscheidung betr. die Schulbeiträge und Schul-
baukosten übertragen ist. Die Dienstverhältnisse der Lehrer, Witwen,
Waisen wurden geregelt durch das Gesetz vom 22. Dezember 1869
nebst den Ergänzungsgesetzen vom 2. Februar 1881 und 19. Juni
1889, Lehrerpensionsgesetz vom 6. Juli 1885, Waisengesetz vom 27. Juli
1890, Ruhegehaltskassengesetz vom 23. Juli 1893, Diensteinkommen-
gesetz vom 3. März 1897, Witwen= und Weisenfürsorgegesetz vom
4. Dezember 1899. Erst vor kurzem ist die Frage der Unterhaltung
der öffentlichen Volksschulen einheitlich geregelt worden durch das Ge-
setz vom 28. Juli 1906 (GS. S. 335), welches jedoch erst am 1. April
1908 in Kraft tritt. Gleichzeitig mit dem Erlaß dieses Gesetzes ist
durch Gesetz vom 10. Juli 1906 (GS. S. 333) in § 1 dieses Ge-
setzes dem Art. 26 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850
folgende Fassung gegeben worden: Das Schul- und Unterrichtswesen
ist durch Gesetz zu regeln. Bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung
verbleibt es hinsichtlich des Schul= und Unterrichtswesens bei dem gelten-
den Recht. Ferner bestimmt § 2 des Gesetzes vom 10. Juli 1906:
Der Art. 112 der Verfassungsurkunde ist aufgehoben.
§ 152. Das äußere Schulrecht.
1. Charakter der öffentlichen Schulen in Preußen. )
Das preußische ALR. hält grundsätzlich an dem Standpunkte fest,
daß die öffentlichen Schulen Staatsanstalten sind (S§ 1 II 12).
Daneben werden allerdings auch Privatschulerziehungsanstalten nach-
gelassen, aber auch diese unterstehen der Aussicht des Staates. Auch
der Umstand, daß eine Schule nur für eine einzelne Religionsparteie
bestimmt ist, macht sie nie zum kirchlichen Institut, sondern sie bleibt
Staatsanstalt und damit der staatlichen Aufsicht unterworfen (§ 9 II
12). Der Eintritt in die öffentlichen Schulen ist jedem schulpflichtigen
Kinde ohne Unterschied des Glaubens gestattet (§ 10). Den toleranten
Standpunkt des Landrechts in diesem Punkte kennzeichnet die Be-
stimmung des § 11, nach welcher Kinder, die in einer andern Religion,
als welche in der öffentlichen Schule gelehrt wird, nach den Gesetzen
des Staates erzogen werden sollen, dem Religionsunterricht in der-
selben beizuwohnen nicht angehalten werden können. Schon aus dem
letztgedachten Standpunkt erhellt aber, daß die landrechtliche öffentliche
Schule keineswegs etwa religions= oder konfessionslos ist. Hinsichtlich
des religiösen Charakters unterscheidet man (Schneider und v. Bremen,
Volksschulwesen, Bd. 3 S. 423 ff.): die religions= oder konfes-
sionslose Schule, in welcher das Religionsbekenntnis der Kinder
grundsätzlich bei Anstellung der Lehrer und Erteilung des Unterrichts
unberücksichtigt bleibt, und andererseits entweder die kon fessionellen
Schulen, in denen nach beiden Richtungen ein bestimmtes Bekenntnis
ausschließlich oder — falls die Kinder anderer Bekenntnisse die Schule
1) Literatur: Bierling, Die konfessionelle Schule in Preußen. Gotha, 1885.
EGneist, Die konfessionelle Schule. Ihre Unzulässigkeit nach preußischem Land-
recht. Berlin, 1869.