A. Vergleichende Darstellung des Verwaltungsstreitverfahrens. 635
die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen. Dies gilt auch für die
Zustellung von Endurteilen (O G. Verf. vom 16. Februar 1883, vom 10. September
1883. O#G. E. Bd. 41 S. 458, Bd. 49 S. 444, E. vom 27. März 19083 in
PVBl. 24 S. 549). Es genügt ferner die Zustellung an den Bevollmächtigten zum
Beginne des Laufs der Rechtsmittelfrist, sofern nicht die Zurücknahme der Vollmacht
zu den Akten angezeigt ist (OVG. E. Bd. 41 S. 458). Ebenso genügt der recht-
zeitige Eingang eines Telegramms an Stelle eines Schriftsatzes zur Wahrung der
Frist (ogl. v. Brauchitsch, Verwaltungsges. Bd. 1 S. 71 f. Anm. 86 zu § 52 LVG.
und die dort angeführten Entscheidungen des O.).
Auch über den Zeitpunkt der erfolgten Zustellung einer Verfügung und da-
mit über den Beginn des Laufes des gegen die Verfügung zulässigen Rechtsmittels
enthält das Gesetz keine Bestimmung, auch nicht im Schlußsatz des Abs. 1 des § 52
LV G., da dieser nicht von dem Beweis, sondern von der Berechnung der Frist
spricht. Das OV G. hat in seiner Entscheidung vom 3. November 1884 (PVBl. VI
S. 124) zu diesem Punkt gleichfalls dahin Stellung genommen, daß der zur Beschluß-
fassung über Rechtsmittel berufene Verwaltungsrichter bei Feststellung der Tatsache,
wann die Zustellung im einzelnen Falle erfolgt ist, nicht auf urkundliche Be-
scheinigungen über die Zustellung — amtliche Zustellungsurkunde — beschränkt ist,
vielmehr darf er dabei alle zulässigen Beweismittel, namentlich auch die Aussage
von Zeugen benutzen. Jedoch liegt im Zweifelsfalle für die Feststellung des Zeit-
punktes der Zustellung die Beweislast der Behörde ob (OVG. E. Bd. 5 S. 261 ff.
in v. Kamptz Bd. 4 S. 1270). Deshalb wird behördlicherseits empfohlen, zum
Nachweise der Zustellung Behändigungsscheine auszustellen oder Akten-
vermerke über Tag und Ort der Zustellung zu machen, um darüber amtlich
Auskunft geben zu können (OVG. E. Bd. 26 S. 438 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1270
und O#. E. Bd. 35 S. 445).
Für die Berechnung der Fristen sind die bürgerlichen Prozeßgesetze
maßgebend, d. h. die §§ 221—222 3PO. in Verbindung mit den 88 186—193
BGB. Dagegen sind nach den Regulativen für den Geschäftsgang bei dem Kreis-
ausschuß (§ 5) Bezirksausschuß (§ 5) und O. (§ 18) die Ferien dieser Behörden
für den Fristenlauf ohne Einfluß.
11. Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen.
Im allgemeinen finden für das Verwaltungsstreitverfahren die Bestimmungen
der bürgerlichen Prozeßgesetze über Ausschließung und Ablehnung der Gerichts-
personen sinngemäße Anwendung (§ 61 Abs. 1 LVG.). In Betracht kommen hier-
für die §§ 41, 42, 49 Z VO. Als Besonderheit für das Verwaltungsstreitverfahren
ist hervorzuheben, daß aus der innerhalb seiner Zuständigkeit geübten amtlichen
Tätigkeit des Landrats bezw. des Regierungspräsidenten kein Grund zur Ablehnung
dchh ben wegen Besorgnis der Befangenheit entnommen werden kann (§ 61 Abs.
Die Bestimmungen wegen Ausschließung der Gerichtspersonen sind öffentlich-
rechtlicher und zwingender Natur und können durch Parteierklärungen nicht ausge-
Glasen werden (OVG. E. vom 28. Juni 1897 PVBl. 19 S. 9 v. Kamptz Bd. 4
.1321).
Das Ablehnungsgesuch ist nach der Natur der Sache nur möglich, bevor der
abzulehnende Richter das Urteil noch nicht gesprochen hat. Wegen Besorgnis der
Befangenheit können nur einzelne richterliche Personen, nicht ganze, zur Ver-
waltungsrechtsprechung berufene Behörden abgelehnt werden (O G. E. vom 24. Juni
1901 Bd. 39 S. 449 in v. Kamptz Erg. Bd. 2 S. 591). Hat eine Partei, ohne
den angeblichen Ablehnungsgrund gegen den Richter geltend zu machen, sich in die
Verhandlung eingelassen. so kann sie das Versäumte in der Instanz nicht mehr nach-
holen (§ 43 B8PO). (O#G. E. vom 9. Juni 1888 Bd. 16 S 395 in v. Kamptz
Bd. 4 S. 1098) Wird ein Ablehnungsantrag zurückgewiesen, so darf nicht in der
Sache selbst sofort erkannt werden, sondern es muß der zurückgewiesenen Partei die
Beschwerde über die Zurückweisung des Antrages offen gehalten werden, wenn
gegen das Urteil selbst nur die Revision zulässig sein wurde (OVG. E. vom
9. Februar 1885 Bd. 11 S. 279 in v. Kamptz Bd. 4 S. 1237). Im übrigen
ist das Verfahren über das Ablehnungsgesuch den zivilproressualen Verfahrens-
vorschriften gleichgestaltet.