Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

56 2. nuch. Die Organe der Staats= und staatlichen Selbstverwaltung. 
Ferner bestraft § 353° Abs. 2 den vorsätzlichen Ungehorsam gegen 
die von dem Vorgesetzten erteilten amtlichen Anweisungen und die 
Berichterstattung von erdichteten oder entstellten Tatsachen, wenn die 
Absicht vorliegt, den Vorgesetzten in seinen amtlichen Handlungen irre- 
zuleiten. Täter kann in diesem Falle nur ein mit einer auswärtigen 
Mission beauftragter Beamter sein, also die bei einer außerdeutschen 
Regierung beglaubigten Gesandten und die bei einer solchen Gesandt- 
schaft beschäftigten Beamten. Das Strafmaß ist dasselbe wie in dem 
vorigen Fall. 
Mit diesem § 353“ sind im allgemeinen die Fälle erschöpft, in 
denen eine strafrechtliche Verfolgung der Verletzung der Amtsverschwiegen- 
heit eintritt. Es findet sich aber im Strafgesetzbuch noch eine Be- 
stimmung, die Verstöße gegen die Amtsverschwiegenheit unter Strafe 
stellt, das ist der § 355. Er richtet sich gegen die Telegraphen- 
beamten und andere Personen, die mit der „Beaussichtigung oder 
Bedienung (im Gesetz steht allerdings „und Bedienung,“ doch hat das 
Reichsgericht diese Wortfassung extensiv ausgelegt in „o der Bedienung“) 
einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt“ betraut 
sind, und erklärt sie für strafbar, wenn sie den Inhalt von Depeschen 
dritten mitteilen. Und zwar ist das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit 
erforderlich. Fehlt dieses Tatbestandsmerkmal, so ist die Anwendung 
des § 355 ausgeschlossen. 
Für die Postbeamten gilt eine ähnliche Bestimmung nicht. Selbst- 
verständlich, soweit es sich um die rechtswidrige Mitteilung des Inhalts 
von Telegrammen handelt, deren Übermittlung sie zu beforgen haben, 
werden sie den Telegraphenbeamten gleich behandelt und können sich 
nach § 355 St GB. strafbar machen; denn in diesem Falle gehören 
sie zu den Personen, die mit der „Beaufsichtigung oder Bedienung 
einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt“ betraut 
sind. Wie aber, wenn ein Postbeamter einen dritten von dem Inhalt 
eines Briefes, einer Postkarte rechtswidrig benachrichtigt? Bei Briefen 
ist die Frage ohne wesentliche Bedeutung, da nach 8 364 StGB. 
schon die Eröffnung eines Briefes durch einen Postbeamten eine straf- 
rechtliche Ahndung nach sich zieht. Das Reichsgericht hat aber ent- 
schieden, daß unter den Begriff „Briefe“ des § 354 auch Postkarten 
fallen, und die Erweiterung dieses Begriffes wird auch dem § 5 des 
Postgesetzes von 1871 („das Briefgeheimnis ist unverletzlich“) zugrunde 
zu legen sein. Zwar kann dann bei der rechtswidrigen Mitteilung 
des Inhalts von Postkarten im Disziplinarwege auf Grund des § 5 
des Postgesetzes gegen den Beamten vorgegangen werden, eine straf- 
rechtliche Verfolgung ist aber trotzdem ausgeschlossen; denn da der 
§ 354 nur von der „Eröffnung“ und „Unterdrückung“ von Briefen 
spricht,“ so ist für unseren Fall alle Erweiterung des Begriffes umsonst. 
Bezüglich der zivilrechtlichen Haftung der Beamten für Verletzung 
der Amtspflicht kann auf die Ausführungen Bd. 1 § 21 S. 34 ff. 
dieses Werkes verwiesen werden. 
Anlangend die preußischen Beamten ist hier noch die Sonder- 
bestimmung zu erwähnen, daß, wenn gegen einen preußischen nicht 
 
	        
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