60 2. Buch. Die Organe der Staats= und staatlichen Selbstverwaltung.
den erforderlichen Grad der Verschuldung und den Umfang des Schaden-
ersatzes Bestimmungen zu treffen. Für einzelne Gebiete der Reichs-
verwaltung indes ist die Haftpflicht besonders geregelt. So hat die
Telegraphenverwaltung dem Unterhaltungspflichtigen den durch
die Arbeiten an der Telegraphenlinie entstandenen Schaden zu ver-
güten (TG. § 2), und die Eisenbahn haftet für ihre Leute und andere
Personen, deren sie sich bei Ausführung der Beförderung bedient
(Eisenbahnverkehrsordn. § 29, EEG. Art. 42). Im übrigen hat sich
das Reich, abgesehen von § 12 der Reichsgrundbuchordnung, seiner
Sonderstellung entäußert und bestimmt, daß auf die Rechtsverhältnisse
der Reichsbeamten, über welche nicht durch die Reichsgesetzgebung An-
ordnung getroffen ist, diejenigen gesetzlichen Vorschriften Anwendung
finden, welche an ihren Wohnorten für die Staatsbeamten gelten
(RBG. § 19). Es fällt also die weitere Untersuchung nach solchen
gesetzlichen Vorschriften für Reichs= und Staatsbeamte zusammen.
Dabei tritt dann die auf privatrechtlichem Gebiete, wenigstens zum
größten Teile, glücklich beseitigte Rechtszerrissenheit Deutschlands
wieder mit aller Deutlichkeit in die Erscheinung.
Zunächst in Preußen stehen sich die geltenden Vorschriften in den
verschiedenen Rechtsgebieten gegensätzlich gegenüber. Von der Rechts-
lehre sowohl, wie von der Rechtsprechung wird für das Gebiet des
Allgemeinen Landrechts die Haftung des Staates für seine Be-
amten durchweg verneint, im Gebiete des Gemeinen und Rheinischen
Rechts dagegen bejaht, insbesondere ordnet der Code civil ganz allgemein
an, daß die Geschäftsherren für die Verrichtungen und die Versehen
ihrer Angestellten unbedingt verantwortlich sind (Art. 1384). In
Bayern haftet der Staat in allen Fällen des § 839 BGB. dem
dritten an Stelle des Beamten, auch wenn der letztere durch Geistes-
störung oder aus ähnlichen Gründen selbst nicht verantwortlich ist,
doch hat der Beamte dem Staate den Schaden, welcher diesem aus
der Verletzung der Amtspflicht erwächst, zu ersetzen. In Württem-
berg gelten ähnliche Bestimmungen, desgleichen in Baden, wo die
Forderung des Verletzten auf den Staat übergeht; der Beamte kann
aber auf Vorentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes antragen. In
Gotha, Reuß j. L. und Altenburg, wo jedoch die Hinterlegung
des Betrages erfordert wird, haftet der Staat unbedingt. In Elsaß-
Lothringen, Hessen, Weimar, Schwarzburg-Sondershausen
haftet der Staat neben dem Beamten wie ein Bürge. In Sachsen
hat sich die Anerkennung der Haftpflicht des Staates als Gewohnheits-
recht herausgebildet. Anhalt, Mecklenburg-Schwerin und
Strelitz verweisen einfach auf die geltenden Rechte.
Eine einheitliche reichsgesetzliche Regelung der Haftung des Staates,
der Gemeinden und anderen Kommunalverbände für den von ihren
Beamten in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt
zugefügten Schaden ist bereits von dem 28. Deutschen Juristentag
(1906) für ein dringendes Bedürfnis erklärt worden. Die national-
liberale Fraktion des Abgeordnetenhauses hat bereits einen dahin
gehenden Initiativantrag an die preußische Staatsregierung gestellt,