— 32 —
Nr. 19.
Telegramm des Reichskanzlers an den Kaiserlichen Botschafter in
Daris vom 29. Juli.
Die uns über französische Kriegsvorbereitungen zugehenden Nachrichten mehren
sich von Stunde zu Stunde. Ich bitte dies bei der Französischen Regierung zur
Sprache zu bringen und sie eindringlichst darauf hinzuweisen, daß uns derartige
Maßnahmen zu Schutzmaßregeln zwingen würden. Wir würden Kriegsgefahr prokla-
mieren müssen, und wem dies auch noch keine Einberufungen und noch nicht
Mobilisierung bedeute, so würde dadurch immerhin die Spannung erhöht werden.
Wir hofften fortgesetzt noch auf Erhaltung des Friedens.
Nr. 20.
Telegramm des Militärbevollmächtigten in St. Detersburg
an S. M. den Kaiser vom 30. Juli.
Gestern sagte mir Fürst Troubetzkoi, nachdem er veranlaßt hatte, daß Euer
Majestät Telegramm an Kaiser Nikolaus sofort übermittelt würde: Gottlob, daß ein
Telegramm Ihres Kaisers gekommen ist. Er sagte mir nun soeben, das Telegramm
hätte auf den Kaiser tiefen Eindruck gemacht, aber da die Mobilisierung gegen
Osterreich bereits befohlen gewesen, und Sasonow Seine Majestät wohl davon über.
zeugt hätte, daß es nicht mehr möglich sei, zurückzuweichen, so könne Seine Majestät
leider nichts mehr ändern. Ich sagte ihm darauf, die Schuld an den unabsehbaren
Folgen trage die frühzeitige Mobilisierung gegen das doch nur in einen lokalen Krieg
mit Serbien verwickelte Osterreich Ungarn, denn Deutschlands Antwort darauf sei wohl
klar und die Verantwortung fiele auf Rußland, welches Österreich-Ungarns Jusicherung,
daß es territoriale Erwerbungen in Serbien in keiner Weise beabsichtige, ignoriert
habe. Osterreich-Ungarn habe gegen Serbien und nicht gegen Rußland mobilisiert,
und zum sofortigen Eingreifen sei kein Grund für Rußland. Ich fügte des weiteren
hinzu, daß man in Dentschland die Redensart Rußlands #wir können unsere Brüder
in Serbien nicht im Stich lassen“ nach dem furchtbaren Verbrechen von Serasewo
nicht mehr verstehe. Ich sagte ihm schließlich, er möge, wenn Deutschlands Streitmacht
mobilisiert werde, sich nicht wundern.