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Nr. 27.
Telegramm des Reichskanzlers an den deutschen Gesandten in Brüssel
vom 2. August 1914.
Der Kaiserlichen Regierung liegen zuverlässige Nachrichten vor über den
beabsichtigten Aufmarsch französischer Streitkräfte an der Maas, Strecke Givet-Namur.
Sie lassen keinen Zweifel über die Absicht Fraukreichs, durch belgisches Gebiet gegen
Deutschland vorzugehen. Die Kaiserliche Regierung kann sich der Besorgnis nicht
erwehren, daß Belgien, trotz besten Willens, nicht imstande sein wird, ohne Hilfe
einen französischen Vormarsch mit so großer Aussicht auf Erfolg abzuwehren, daß
darin eine ausreichende Sicherheit gegen die Bedrohung Deutschlands gefunden werden
kann. Es ist ein Gebot der Selbsterhaltung für Deutschland, dem feindlichen An-
griff zuvorzukommen. Mit dem größten Bedauern würde es daher die deutsche
Regierung erfüllen, wenn Belgien einen Akt der Feindseligkeit gegen sich darin
erblicken würde, daß die Maßnahmen seiner Gegner Deutschland zwingen, zur Gegen-
wehr auch seinerseits belgisches Gebiet zu betreten. Um jsede Mißdentung auszuschließen,
erklärt die Kaiserliche Regierung das Folgende:
1. Deutschland beabsichtigt keinerlei Feindseligkeiten gegen Belgien Ist Belgien
gewillt, in dem bevorstehenden Kriege Deutschland gegenüber eine wohlwollende
Neutralität einzunehmen, so verpflichtet sich die deutsche Regierung, beim Friedens-
schluß Besitzstand und Unabhängigkeit des Königreich im vollen Umfang zu garantieren.
2. Deutschland verpflichtet sich unter obiger Voraussetzung, das Gebiet des
Königsreichs wieder zu räumen, sobald der )Friede geschlossen ist.
3. Bei einer freundschaftlichen Haltung Belgiens ist Deutschland bereit, im Ein-
vernehmen mit den Königlich Belgischen Behörden alle Bedürfnisse seiner Truppen
gegen Barzahlung anzukaufen und jeden Schaden zu ersetzen, der etwa durch deutsche
Truppen verursacht werden könnte.
Sollte Belgien den deutschen Truppen feindlich entgegentreten, insbesondere
ihrem Vorgehen durch Widerstand der Maasbefestigungen oder durch Zerstörungen
von Eisenbahnen, Straßen, Tunneln oder sonstigen Kunstbauten Schwierigkeiten
bereiten, so wird Deutschland zu seinem Bedauern gezwungen sein, das Königreich
als Feind zu betrachten. In diesem Falle würde Deutschlaud dem Königreich gegen-
über keine Verpflichtung übernehmen können, sondern müßte die spätere Regelung des
Verhältnisses beider Staaten zueinander der Entscheidung der Waffen überlassen.
Nr. 28
Telegramm des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts an den
Kaiserlichen Botschafter in Tokio vom 12. August 1914.
Ostasiatisches Geschwader angewiesen, feindliche Akte gegen England zu unter.
lassen, falls Japan neutral bleibt. Bitte japanische Regierung benachrichtigen.
Hierauf ist japanischerseits eine Antwort nicht eingegangen.