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aber die Erinnernng daran geschwunden sein, so dürften ihre Zweifel über die in den
Unterhaltungen des Generals Ducarme mit dem Oberstleutnant Barnardiston be-
bandelten Themata durch den nachstehenden Wortlaut des Berichtes gehoben werden,
der in einem Umschlag mit der Aufschrift „Conventions anglo-belges im belgischen
Kriegsministerinm aufbewahrt wurde.
Der Bericht des Generals Ducarme lantet in deutscher Ubersetzung:
* Brief an den Herrn Minister über die vertraulichen Unterhaltungen.
An den Herrn Triegeminister.
Brüssel, den 10 April 1906.
Dertraulich.
Herr Minister!
Ich habe die Ehre, Ihnen kurz über die Unterhaltungen Bericht zu erstatten,
die ich mit dem Oberstleutnant Barnardiston gehabt habe, und die Gegenstand
meiner mündlichen Mitteilungen waren. Der erste Besuch datiert von Mitte Januar.
Herr Barnardiston machte mir Mitteilung von den Besorgnissen des Generalstabes
seines Landes hinsichtlich der allgemeinen politischen Lage und wegen der Möglichkeit
eines alsbaldigen Kriegsansbruches. Eine Truppensendung von im ganzen ungefähr
100 000 Mann sei für den Fall vortesehen, daß Belgien angegriffen würde.
Der Oberstleutnant fragte mich, wie eine solche Maßregel von uns ausgelegt
werden würde. Ich antwortete ihm, daß es vom militärischen Gesichtspunkte nur
günstig sein könnte, aber daß diese Interventionsfrage ebensosehr die politischen Be-
hörden angehe, und daß es meine Pflicht sei, davon alsbald dem Kriegsminister Mit-
teilung zu machen.
Herr Barnardiston antwortete mir, daß sein Gesandter in Brüssel darüber
mit unserem Minister des Auswärtigen sprechen würde.
Er fuhr etwa folgendermaßen fort: Die Landung der englischen Truppen würde
an der französischen Küste stattfinden, in der Gegend von Dünkirchen und Calais,
und zwar würde die Truppenbewegung möglichst beschlennigt werden. Eine Landung
in Antwerpen würde viel mehr Zeit erfordern, weil man größere Transportschiffe
brauche, und andererseits die Sicherheit weniger groß sei.
Nachdem man über diesen Punkt einig sei, blieben noch verschiedene andere
Fragen zu regeln, nämlich: die Eisenbahntransporte, die Frage der Regquisitionen,
die die euglische Armee machen könnte, die Frage des Oberbefehls der verbündeten
Streitkräfte.
Er erkundigte sich, ob unsere Vorkehrungen genügten, um die Verteidigung des
Landes während der Überfahrt und der Transporte der englischen Truppen eine Zeit,
die er auf etwa zehn Tage schätzte, sicherzustellen.
Ich antwortete ihm, daß die Plätze Namur und Lüttich mit einem Handstreich
nicht zu nehmen seien, und daß unsere 100 000 Mann starke Feldarmee in vier
Tagen imstande sein würde, einzugreifen.