Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 2 (2)

Ein österreichisch-ungarisches Rotbuch. 
Wien, 3. Februar. Heute ist ein Rotbuch über die Vorgeschichte des Krieges 
erschienen. Es enthält 60 Aktenstücke und reicht vom 20. Juni bis zum 24. Augufi 1014. 
Ll. a. wird mitgeteilt: Am 26. Juli telegraphierte Graf Szöpräy aus Petersburg, der 
deutsche Hotschafter habe dem Minister Sasonow in ernster Weise von den russischen 
Mobilisierungsgerüchten gesprochen und hinzugefügt, Mobil sierungsmaßnahmen seien 
ein höchst gefährliches Druckmittel, und wenn in Deutschland einmal auf den Knopf 
gedrückt werde, sei die Sache unaufhaltsam, worauf Minister Sasonow unter Ehren- 
wort versicherte, bisher sei kein Pferd und kein Reservist eingezogen und es handle 
sich lediglich um vorbereitende Maßnahmen in den Militärbeziiken Kiew, Odessa, 
vielleicht Kasan und Moskau. — Infolge der Erklärungen des deutschen Botschafters 
habe dann der Kriegeminister Suchomlinow den deutschen Militdrattaché zu sich 
gebeten und ihm dieselbe Versicherung ebenfalls unter Ehrenwort gegeben. Wenn 
Oesterreich-Angarn die serbische Grenze überschreite, würden die auf Oesterreich-Ungarn 
gerichteten Mililärbezirke mobilisiert, unter keinen mständen die an der deutichen 
Front; man wünsche dringend Frieden mit Deutschland. Der Militärattaché er- 
widerte, daß auch die Mobilmachung gegen Oesterreich-Ungarn als sehr bedrohlich 
angesehen werden würde. 
Am 27. Juli ermächtigte Graf Berchtold den Grafen Szäpäry telegraphisch, sich 
Sasonow gegenüber dahin auszusprechen, daß, solange der Krieg zwischen Oesterreich- 
Angarn und Serbien lokalisiert bleibe, die Monarchie irgendwelche territoriale Er- 
werbungen nicht beabstchtigt. 
In einem zweiten Telegramm ersucht Graf Berchtold den Grafen Szöpäry, da 
der Dunkt betreffend die Zeteiligung von k. und k. Junktionären bei der Unterdrückung 
der serbischen Amsturzbewegung den besonderen Widerspruch Sasonows hervorrief, 
ihm vertraulich mitzuteilen, daß damit nicht eine Tangierung der Souveränität 
Serbiens beabsichtigt war, sondern an die Errichtung eines mit den serbischen Ze- 
hörden kooperierenden Sicherheitsbureaus nach der Art der analogen russischen Ein- 
richtungen in Daris gedacht wurde. 
Am 28. Juli ersuchte Graf Berchtold den Botschafter Grafen Szögyen)y, sich sofort 
zum ZReichskanzler oder zum Staatssekretär zu begeben und es dem Berliner Kabinett 
zur dringenden Erwägung zu unterbreiten, ob nicht Kußland in freundschaftlicher 
Weise darauf aufmerksam gemacht werden sollte, daß die für den Fall einer Ueber- 
schreitung der serbischen Grenze angekündigte Mobilisierung der vier gegen Oester— 
reich-AUngarn gelegenen russischen Militärbezirke einer Zedrohung Oesterreich-Augarns 
gleichkomme und daher, falls sie tatsächlich erfolgte, sowohl von der Monarchie als 
auch vom verbündeten Deutschen Reich mit den weitestgehenden militärischen Gegen- 
maßregeln beantwortet werden müßte. 
Inzwischen hatte der deutsche Botschafter in Wien mitgeteilt, daß sich Sir Edward 
Grey an die deutsche Regierung mit der Bitte gewendet habe, sie möge ihren Einfluß 
in Wien geltend machen, damit hier die Zelgrader Antwort entweder als genügend 
 
	        
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