Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 2 (2)

  
     
9. Dezember 1914 bis 3. Mai 1915. Seine Tendenz ist, Oesterreich als den formal 
und sachlich Schuldigen zu erklären, und die Notwendigkeit einer Neuorientierung 
der stalienischen Holitik aus der augenblicklichen Gefahr eines österreichisch-russischen 
Seperatfriedens herzuleiten, der die österreichische Armee gegen die italienische Armee 
freimachen würde. 
Die abgelehnte Entsendung des Grafen Goluchowski. 
Berlin, 21. Mai. Die bis setzt vorliegenden Angaben über den Inhalt des 
italienischen Grünbuches lassen nicht erkennen, ob darin eine Tatsache erwähnt ist, 
die den ernsten Willen der österreichisch-ungarischen Kegierung erweist, zu einer Ver- 
ständigung mit der italienischen Kegierung zu gelangen. Es ist die von dem Wiener 
Kabinett angebotene, aber von Herrn Sonnino abgelehnte Entsendung des Grafen 
Goluchowsky mit weitgehenden Vollmachten zur Führung der Verhandlungen. Am 
2. Mai erklärte der italienische Minister des Aeußeren auf eine wiederholte Anfrage 
des Wiener Kabinetts, ob die Entsendung des Grafen genehm sei, daß er dieselbe 
nicht für opportun halte, weil sie zu großes Aufsehen erregen würde. Am 4. Mai 
erfolgte die Kündigung des Dreibundvertrages in Wien. Hiernach ist es nicht auf 
Mangel an Entgegenkommen und Bereitwilligkeit zu ernsthaften Berhandlungen auf 
seiten der österreichischungarischen Kegierung zurückzuführen, daß die Lage damals 
eine weitere Verschärfung erfuhr. (W. T. S.) 
Der Bruch des Dreibundvertrages durch den Tripoliskrieg. 
Budapest, 21. Mai. Der Wiener Berichterstatter des „Az Esi“ meldet: An unterrichteter 
Stelle bemerki man bezüglich der Erklärung Salandras folgendes: Salandra erklärt, der 
Dreibundvertrag mußte gekündigt werden, weil Jtalien skets dem europäischen Frleden diente 
und Oesfkerreich-Lngarn durch die Kriegserklärung an Serbien das europäische Gleichgewicht 
zerstört habe. Darauf ist zu erwidern, daß Jialien mit dem Tripoliskrieg den erften Friedens- 
bruch verübte. Der Dreibundvertrag setzte auch dse territoriale Integrität der Türkei fest. 
Durch das tripolitanische #nternehmen setzte sich Jtalien über diesen Dunkt des Vertrages hinweg. 
Doch weder die Monarchie noch Deutschland erblickten darin einen genügenden Grund zur 
Lösung des Vertrages. Salandra sagt, die Monarchie habe den siebenten Hunkt des Vertrages 
verletzt, indem sie Jtalien von der Kriegserklärung an Serbien nicht vorher verständigt habe. 
Demgegenüber ist festzustellen, daß die Monarchie über den Entschluß bezüglich Serbiens die 
italienische Regierung rechtzeitig verständigt und außerdem sich gegenüber dem römischen Kabinett 
formell verpflichtet hat, die territoriale Integrität Serbiens zu respektieren. Dies geht übrigens 
auch aus dem englischen Zlaubuch hervor, das ein Telegramm des englischen Zotschafters in 
Zom wiedergibt, demzufolge der italienische Minister des Aeußeren ihm mitgeteilt habe, die 
Monarchie wünsche die territoriale Integritat Serbiens zu respektieren. In welcher Weise Jtalien 
das als heilig bezeichnete Hrinzip des Balkangleichgewichts achtete, geht aus der italienischen 
Aktion in Albanien hervor. Die Haltung Jtaliens war, wie setzt fesizustellen ist, seit Ausbruch 
des Krieges nicht auf die Aufrechterhaltung des Friedens gerichtet. Mit seinem Protest gegen 
das serbische Ultimatum wartete Italien zehn Monate, nachdem es vorher seine Armee mobilissert 
hatie. Italien legte seine Empörung auf Eis und holte sie hervor, nachdem die militarischen 
Vorbereitungen getroffen waren. Die Einwendungen Jtaliens können demnach nicht ernst 
genommen werden. 
  
    
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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