Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 2 (2)

hätte sie sowohl in Wien als auch in Berlin den besten Willen zum Schutze dieser 
Interessen gefunden. 
Die königliche KRegierung war damals der Ansicht, daß sich ihre beiden Der- 
bündeten nach Lage der Dinge Jtalien gegenüber nicht auf den Bündnisfall berufen 
konnten, aber sie machte keine Mitteilung, welche zu dem Glauben berechtigt hätte, 
daß sie das Vorgehen Oesterreich-Ungarns als eine „flagrante Verlethung des Wortes 
und des Geistes des Bündnisvertrages“ ansehe. 
Die Kabinette von Wien und Berlin ließen, wenn sie auch Italiens Entschluß, 
neutral zu bleiben — einen Entschluß, der nach unserer Ansicht mit dem Geist des 
Vertrages kaum vereinbar war — bedauerten, die Ansicht der italienischen Kegierung 
dennoch in loyaler Weise gelten, und ber Meinungsaustausch, der in jenem Zeitpunkte 
stattfand, stellte die unveränderte Aufrechterhaltung des Dreibundes fest. 
Gerade mit Berufung auf diesen Vertrag, insbesondere auf dessen Artikel VII 
legte uns die königliche Regierung ihre Ansprüche vor, die dahin gingen, gewisse 
Entschädigungen für den Fall zu erhalten, daß Oesterreich-Angarn seinerseits aus dem 
Kriege Vorteile territorialer oder anderer Natur auf der Balkanhalbinsel zöge. Die 
k. u. k. Regierung nahm dessen Standpunkt an und erklärte sich bereit, die Frage 
einer Drüfung zu unterziehen, indem sie gleichzeitig darauf hinwies, daß es, solange 
man nicht in Kenntnis der Oesterreich-Angarn eventuell zufallenden Vorteile sei, schwer 
wäre, hierfür Kompensationen festzusetzen. 
Die königliche Regierung teilte diese Auffassung, wie sowohl aus der Erklarung 
des seither verstorbenen Marchese di San Giuliano vom 25. Augufst 1914 hervor- 
geht, in der es heißt: „Es wäre verfrüht, jetzt von Kompensationen zu sprechen,“ 
als auch aus den Zemerkungen des Herzogs von Avarna nach unserem Röckzug 
aus Serbien: „Gegenwärtig gibt es kein Kompensationsobjekt.“ 
Nichtsdestoweniger ist die k. u. k. Kegierung immer bereit gewesen, über diesen 
Gegenstand eine Konversation zu beginnen. Als die italienische Regierung, indem sie 
auch noch jeht ihren Wunsch auf Aufrechterhaltung und BZefestigung unseres Bünd“ 
nisses wiederholte, besondere Forderungen vorbrachte, welche unter dem Titel einer 
Entschädigung der Abtretung integrierender Bestandteile der Monarchie an Jtalien 
betrasen...., hat denn auch die k. u. k. Regierung, die auf die Erhaltung bester 
Beziehungen zu Italien den größten Wert legte, selbst biese Berhandlungsgrundlage 
angenommen, obwohl nach ihrer Meinung der in ZRede stehende Artikel VII niemals 
auf Gebiete der zwei vertragschließenden Teile, sondern einzig und allein auf die 
Balkanhalbinsel Bezug hatte. In den Verhandlungen, die über diesen Gegenstand 
gepflogen wurden, zeigte sich die k. u. k. Regierung stets von dem aufrichtigen 
Wunsche geleitet, zu einer Zerständigung mit Italien zu gelangen, und wenn es ihr 
aus ethnischen, politischen und militarischen Gründen, die in Kom ausführlich aus- 
einandergesetzt worden sind, unmöglich war, allen Forderungen der königlichen 
J#egierung nachzugeben, so sind doch die Opfer, die die k. u. k. Kegierung zu bringen 
bereit war, so bedeutend, daß diese nur der Wunsch, ein seit so vielen Johren zum 
gemeinsamen Vorteil unserer beiden Länder bestehendes Bündnis aufrechtzuerhalten, 
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