Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 2 (2)

deutsche Regierung glaubt insbesondere und mit dem größten Nachdruck darauf hinweisen zu 
müssen, daß ein auf viele Hunderte von Millionen Mark geschätzter Waffenhandel amerikanischer 
Lieferanten mit Deutschlands Feinden besteht. Dle deutsche Regierung gibt sich wohl Rechen- 
schaft darüber, daß die Ausübung von Rechten und die Duldung von Unrecht seitens der 
Neutralen formell in deren Belieben steht und keinen formellen Neutralitätsbruch involviert; 
sie hat Infolgedessen den Vorwurf des formellen Neutralstätsbruchs nicht erhoben. Die deutsche 
Regierung kann aber — gerade im Interesse voller Klarheit in den Beziehungen beider Länder 
— nicht umhin, hervorzuheben, daß sie mit der gesamten öffentlichen Meinung Deutschlands 
sich dadurch schwer benachteiligt fühlt, daß die Neutralen in der Wahrung ihrer Rechte auf den 
völkerrechtlich legltimen Handel mit Deutschland bisher keine oder nur unbedeutende Erfolge 
erzielt haben, während sie von ihrem Recht, den Konterbandehandel mit England und unseren 
anderen Feinden zu dulden, uneingeschränkten Gebrauch machen. Wenn es das formale Recht 
der Neutralen ist, ihren legltimen Handel mit Deutschland nicht zu schützen, ja sogar sich von 
England zu einer bewußten und gewollten Einschränkung des Handels bewegen zu lassen, so 
ist es auf der anderen Selte nicht minder ihr gutes, aber lelder nicht angewendetes Recht, den 
Konterbandehandel, insbesondere den Waffenhandel mit Deutschlands Feinden, abzustellen. 
Bei dieser Sachlage sieht sich die deutsche Regierung nach sechs Monaten der Geduld und 
des Abwartens genötigt, die mörderische Art der Seekriegführung Englands mit scharfen Gegen- 
maßnahmen zu erwidern. Wenn England in seinem Kampf gegen Deutschland den Hunger 
als Bundesgenossen anruft, in der Absicht, ein Kulturvolk von 70 Millionen vor die Wahl 
zwischen elendem Verkommen oder Unterwerfung unter seinen polltischen und kommerziellen 
Willen zu stellen, so ist heute die deutsche Regierung entschlossen, den Handschuh aufzunehmen 
und an den gleichen Bundesgenossen zu appellieren; sie vertraut darauf, daß die Neutralen, die 
bisher sich den für sie nachteillgen Folgen des englischen Hungerkrieges stillschweigend oder 
protestierend unterworfen haben, Deutschland gegenüber kein geringeres Maß von Duldsamkeit 
zeigen werden, und zwar auch dann, wenn die deutschen Maßnahmen, in gleicher Weise wie 
bisher die englischen, neue Formen des Seekriegs darstellen. 
Darüber hinaus ist die deutsche Regierung entschlossen, die Zufuhr von Kriegsmaterial an 
England und selne Verbündeten mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu unterdrücken, 
wobei sie als selbstverständlich annimmt, daß die neutralen Regierungen, die bisher gegen den 
Waffenhandel mit Deutschlands Feinden nichts unternommen haben, sich der gewaltsamen Unter- 
drückung dieses Handels durch Deutschland nicht zu wldersetzen beabsichtigen. 
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend hat die deutsche Admiralität die von ihr näher 
bezeichnete Zone als Seekriegsgebiet erklärt. Sie wird dieses Seekriegsgebiet soweit wie irgend 
angängig durch Minen sperren, auch die feindlichen Handelsschiffe auf jede andere Weise zu 
vernichten suchen. 
So sehr nun auch der deutschen Regserung bei dem Handeln nach diesen zwingenden Ge- 
sichtspunkten jede absichtliche Vernichtung neutraler Menschenleben und neutralen Eigentums fern- 
liegt, so will sie doch auf der anderen Selte nicht verkennen, daß durch die gegen England 
durchzuführenden Aktionen Gefahren entstehen, die unterschiedslos jeden Handel innerhalb des 
Seekriegsgebietes bedrohen. Dies gilt ohne weiteres von dem Minenkrieg, der auch bei strengster 
Innehaltung der völkerrechtlichen Grenzen jedes dem Minengebiet sich nähernde Schiff gefährdet. 
Zu der Hoffnung, daß die Neutralen sich hiermit ebenso wie mit den ihnen durch die 
englischen Maßnahmen bisher zugefügten schweren Schädigungen abfinden werden, glaubt die 
deutsche Regierung um so mehr berechtigt zu sein, als sie gewillt ist, zum Schutz der neutralen 
Schiffahrt sogar im Seekriegsgebiet alles zu tun, was mit der Durchführung ihres Zweckes 
irgendwie vereinbar ist. 
Sie hat den ersten Bewels für ihren guten Willen geliefert, indem sie die von ihr beab- 
sichtigten Maßnahmen mit einer Frist von nicht weniger als 14 Tagen ankündigte, um der