des Allerhöchsten Kriegsherrn ab. Der Kaiser war am 13. Februar in Lötzen eingetroffen, um
zunächst jene Stellungen zu besichtigen, die seine Truppen — vorwiegend Landsturm und Land-
wehr — in ununterbrochenen 3 Monate langen Kämpfen erfolgreich verteidigt hatten. Am
Nachmittag traf Seine Majestät dann auf der Höhe westlich des Dorfes Grabnick ein, an dessen
Ostausgang die deutschen Geschütze donnerten, während die Infanterie bei lebhaftem Gewehr,
und Maschinengewehrfeuer im fortschreitenden Angriffe gegen Woszczellen lag. Mit gespannter
Aufmerksamkeit verfolgte der Allerhöchste Kriegsherr, an dessen Aufstellungsort die Kaiserstandarte
gehißt war, die einzelnen Phasen des Kampfes bis zur einbrechenden Dunkelheit. Leichter Regen
rieselte vom Himmel — die strenge Kälte der letzten Tage hatte sich in Tauwetter verwandelt —,
als der Feuerkampf allmählich einschlief. Nur um die Enge von Woszczellen wurde noch weiter
gekämpft und diese am Abend vom Füsilierregiment 33 erstürmt. Kurz vor der Abfahrt nach
Lötzen, wo der Hofzug des Kaisers stand, konnte die Meldung von diesem Erfolge, der mit der
Gefangennahme von 300 Russen geendet hatte, überbracht werden. Indessen verkündeten die
Feuerbrände am nächtlichen Himmel, daß die Russen rückgängige Bewegungen eingeleitet hatten,
bei denen sie bekanntlich die Ortschaften, die sie hinter sich lassen, den Flammen übergeben. Am
Morgen des 14. Februar wurde der Kampf um die Seenengen bei Lyck so lange fortgesetzt, bis
diese vom Feinde geräumt wurden. Seine Mgjestät hatte schon am Morgen, diesmal östllich
Grabnick, Aufstellung genommen. Auf russisch sprach er Gefangene an und erkundigte sich
nach deren näherer Heimat. Auf die Meldung, daß Lyck genommen sei, eilte der Kaiser nach
dieser Stadt vor, in welche gerade die siegreichen Truppen (hanseatische und mecklenburgische
Landwehr sowie die 33er Füsiliere) von Westen her einmarschierten. Während diese Truppen
an ihrem Kaiser vorbeizogen, betraten auch von Süden her deutsche Soldaten dle befreite Stadt.
Es waren die Truppen der Generale v. Falck und v. Butlar. Die Stadt Lyck war mit
durchziehenden und sich sammelnden Truppen aller Waffen angefüllt, deutsche Soldaten noch
im Begriff, die Häuser nach versprengten Russen abzusuchen und schwarzweißrote Fahnen zum
Zeichen des Sieges auszuhängen, als auf dem Marktplatze Seine Majestät eintraf, um dessen
Person sich die Truppen formierten. Als der Kaiser den Kraftwagen verließ, wurde er mit
drei donnernden Hurras begrüßt. Die Soldaten umringten und umjubelten ihn und stimmten
dann die Lieder „Heil dir im Siegerkranz“ und „Deutschland, Deutschland über alles“ an.
Es war eine tiefergreifende welthistorische Szene. Die Größe des Augenblicks kam allen zum
Bewußtsein, die Truppe schien alle ausgehaltenen Strapazen gänzlich vergessen zu haben. Hinter
den Reihen der um ihren Kaiser gescharten Soldaten standen Hunderte von russischen Gefangenen
mit ihren phantastischen vielgestaltigen Kopfbedeckungen und ebenso verschiedenen Gesichtszügen,
die Völkerstämme ganz Asiens repräsentierend. Der Kaiser kommandierte nun „Stillgestanden“ und
hielt eine kurze, markige Ansprache an seine lautlos ihn umstehenden Soldaten. Hinter dem Kaiser
ragte als Ruine die ziegelrote, im Ordensstil erbaute Kirche auf, deren mächtiger Kirchturm völlig
ausgebrannt und deren Dachstuhl zerstört war. Die Häuserreihen rechts und links Seiner Majestät
waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt, verkohlende Balken ragten gen Himmel. Inmitten
dieses Bildes der Zerstörung war nur eines erhalten geblieben: das Kriegerdenkmal für die Ge-
fallenen des Feldzuges 1870 71, geschmückt mit dem Friedensengel und dem Eisernen Kreuz.
Nachdem der Kaiser seine Ansprache beendet hatte, zog er noch verschiedene mit dem Eisernen
Kreuz 1. Klasse geschmückte Offiziere ins Gespräch. Dann richtete er anerkennende Worte an das
Füsslierregiment Nr. 33, ein ostpreußisches Regiment, das sich in diesem Kriege ganz besonders
ausgezeichnet und auch schon große Verluste ertragen hat. Zwischen den Häuserreihen der zer-
schossenen Stadt mit ihren ausgeplünderten Läden hindurcheilend, fuhr dann Seine Majestät
noch nach Sybba weiter, wo er Teile seines pommerschen Grenadierregiments begrüßte, auf
welche Ansprache der Kommandeur Graf Rantzau dankend erwiderte. Die verfolgenden Truppen
gelangten an diesem Tage noch über Lyck hinaus. Am 15. Februar war kein Russe mehr auf
deutschem Boden. Ostpreußen war vom Feinde befreit. (W. T. B.)