Full text: Amtliche Kriegsdepeschen Band 3 (3)

den Gegner abgewiesen. Am 16. August war der Angriff bis nahe an die permanente Forts- 
linie vorgetragen. Durch äußerste Steigerung des mit Hilfe von Ballon- und Flugbeobachtung 
glänzend geleiteten Artilleriefeuers wurden die Besatzungen der Forts, Anschlußlinien und 
Zwischenbatterien derartig erschüttert, die Werke selbst derartig beschädigt, daß auch auf diese 
der Sturm angesetzt werden konnte. In unwiderstehlichem Vorwärtsdrängen durchbrach die 
Infanterie zunächst Fort 2, erstürmte dann durch Einschwenken gegen dessen Kehle und Auf- 
rollen der Front beiderseits die gesamte Fortlinie zwischen Jesia und Njemen. Die schleunigst 
nachgezogene eigene Artillerie nahm sogleich die Bekämpfung der Kernumwallung der West- 
front und nach deren Fall am 17. August die Bekämpfung der auf das Ostufer des Njemen 
zurückgewichenen feindlichen Kräfte auf. Unter dem Schutz der unmittelbar an den Njemen 
herangeführten Artillerie wurde im feindlichen Feuer der Strom zunächst durch einzelne kleinere 
Abteilungen, dann mit stärkeren Kräften überwunden. Schnell gelang danach als Ersatz für die 
durch den Feind zerstörten Brücken ein zweifacher Brückenschlag. — Im Laufe des 17. August 
fielen die auch von Norden bereits angegriffenen Forts der Nordfront sowie die Ost- und 
zuletzt die gesamte Südfront. Neben über 20 000 Gefangenen gewannen wir eine unermeßliche 
Beute, über 600 Geschütze, darunter zahllose schwersten Kalibers und modernster Konstruktion, 
gewaltige Munitionsmassen, zahllose Maschinengewehre, Scheinwerfer und Heeresgerät aller 
Art, Automobile und Gummibereifungen, Millionenwerte an Proviant. Bei der großen Aus- 
dehnung dieser modernen Festung ist restliche zahlenmäßige Feststellung der Beute naturgemäß 
eine Arbeit vieler Tage. Sie erhöht sich von Stunde zu Stunde. Hunderte von Rekruten 
wurden in der vom Feinde verlassenen Stadt aufgegriffen, nach deren Angaben erst im letzten 
Augenblick 15 000 unbewaffnete Ersatzmannschaften fluchtartig aus der Stadit entfernt worden 
sind. — Neben den verzweifelten Gegenangriffen der Russen, die auch nach dem Fall der 
Festung — erfolglos wie die früheren — von Süden her noch einmal einsetzten, ist dies ein 
augenscheinlicher Beweis, daß die russische Heeresleitung einen schnellen Fall dieser stärksten 
russischen Festung für außer dem Bereich der Möglichkeit liegend erachtete. Wie hohen Wert 
sie auf den Besitz der Festung legte, beweist neben dem starken Ausbau der Festung und ihrer 
außergewöhnlich starken Ausstattung mit Artillerie die Tatsache, daß der Widerstand der — nicht 
eingeschlossenen — Besatzung bis zum letzten Augenblick fortgesetzt wurde, sowie daß eine unter diesen 
Umständen verhältnismäßig große Anzahl von Gefangenen in unsere Hand fiel. (W. T. B.) 
Kriegserklärung Italiens an die Türkei. 
Konstantinopel, 21. August. Der italienische Botschafter in Konstantinopel 
Marquis Garroni hat gestern der Pforte eine Note überreicht, worin erklärt wird, daß 
Italien sich als mit der Türkei im Kriegszustande befindlich betrachte. Zugleich hat 
der Botschafter seine Pässe verlangt. Als Gründe für Italiens Kriegserklärung 
werden angegeben: die Unterstützung des Aufstandes in Libyen durch die Türkei 
und die Verhinderung der in Syrien ansässigen Italiener an der Abreise. (W. T. B.) 
Vormarsch über die Bahn Bialystok — Brest-Litowsk. 
Großes Hauptquartier, 22. August. 
Westlicher Kriegsschauplatz. Die Lage ist unverändert. 
Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hinden- 
burg: Die Armee des Generals v. Eichhorn machte östlich und südlich von Kowno 
weitere Fortschritte. Beim Erstürmen einer Stellung nördlich des Zuwintysees 
wurden 750 Russen gefangengenommen.