Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Titel II. Die „Rechte der Preußen“ subjeltive Rechte? 
wenn ein Satz, der im Gesetze steht, nicht unmittelbar und ohne weiteres 
gilt, sondern erst noch durch besondere Ausführungsgesetze zur Geltung 
gebracht werden muß. Es geht nicht an, das Staatsgrundgesetz ledig- 
lich als „Sammlung gesetzgeberischer Monologe zu behandeln, an die 
sich niemand zu kehren braucht“ (Haenel, Studien 2 329); die Verfassung 
will nicht Zukunfts-, sondern Gegenwartsrecht sein. Anders — bezüglich 
vieler Bestimmungen des Tit. II — der Standpunkt der Staats- 
regierung in der sog. Reaktionszeit, 1851—58, wofür Lasker, Zur 
Verfasschesch. Preußens (1874 11 ff., RKZ 2 11, 12, 18 Anm. 2 und 
v. Roenne, Staatsr. 2 170, 171, Anmerkungen, interessante Belege geben. 
Dieser, seither ausgegebene, Standpunkt ging dahin, „daß die sog. grund- 
rechtlichen Bestimmungen der Verfassung ältere spezielle Gesetze nicht auf- 
heben können, vielmehr nur anzeigen sollen, welchen Gang die Gesetzgebung 
zu nehmen habe“ (oRZ 2 12; in der Literatur neigt noch Bornhak, 
Pr. St R. 1 293 dieser Meinung zu). In dieser Allgemeinheit ist das sicher 
falsch. Die grundrechtlichen, und nicht minder alle andern Bestimmungen 
der Verfassung sind nur dann nicht als aktuelles Recht anzusehen, 
wenn sie entweder durch die Verfassung ausdrücklich bis auf weiteres 
— etwa bis zum Erlaß entsprechender Ausführungsgesetze — suspendiert 
(so Art. 21—25, die durch Art. 26 Satz 2, früher Art. 112, Art. 70—72, 
74, die durch Art. 115 suspendiert sind), oder so allgemein gefaßt 
sind und zugleich so tief in den bestehenden Rechtszustand eingreifen, 
daß sie ohne Verdeutlichung und Spezifizierung durch besondere Ge- 
setze nicht verwirklicht werden können. Die bloße Tatsache, daß ein 
„positives Prinzip“, wie z. B. das der Rechtsgleichheit (Art. 4) in einem 
Verfassungsartikel ausgesprochen wird, berechtigt, wie gegen Jellinek, 
Syst. d. subj. öff. R. S. 97 zu bemerken ist, an sich nicht zu der 
Annahme, daß dies nur als Gesetzgebungsdirektive und Anweisung auf 
die Zukunft aufzufassen sei. Vgl. die Bemerkungen zu Art. 4, 9, 12, 15, 
S. 111, 167, 190, 191, 303, 304. 
II. Andere Bestimmungen des Titels bringen unzweifelhaft aktuelles, 
aber rein objektives Recht. Sie sind unter sich wieder von sehr ver- 
schiedener Art. Da finden sich Normen, welche subjektive Rechte nicht 
sowohl nicht begründen als vielmehr aufheben (Art. 4 Satz 2, 42) bzw. die 
Begründung gewisser Rechtsverhältnisse verbieten (Art. 40), ferner solche, 
die nur Pflichten (Art. 34, Wehrpflicht, Art. 21 Abs. 2, Schulpflicht) 
oder Beschränkungen (Art. 38, 39) auferlegen; andere wieder sind 
organisatorischen Inhalts (Art. 35, auch die schulrechtlichen Artikel, 
Art. 21—25, gehören großenteils hierher), noch andere sind als Grenz- 
zeichen zwischen Gesetz und Verordnung aufzufassen, indem sie die
	        
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