Titel II. Das Prinzip der gesetzmäßigen Verwaltung. 97
Verehelichung, des Vertragẽschlusses, des Wettbewerbs, des Gemein-
gebrauchs an öffentlichen Wegen und Gewässern, sind „gewährleistet"“:
in dem Sinne nämlich und mit der Wirkung, daß sie im Verwaltungs-
(und, was dasselbe besagt, im Verordnungs--)wege nicht willkürlich,
sondern nur auf Grund und nach Maßgabe des Gesetzes beeinträchtigt
werden dürfen. Dies folgt aus dem im preußischen Staatsrecht nicht
bloß in einzelnen bestimmten Fällen, sondern ganz allgemein aner-
kannten Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung ((. unten) und wird
durch anderweite positive Gesetzesvorschriften bestätigt. Insbesondere
durch die Gestaltung des Rechtsschutzes gegenüber der polizeilichen Ver-
fügungsgewalt: §§ 127ff. LVG vom 30. Juli 1883. Wenn dort das
Rechtsmittel der verwaltungsgerichtlichen Klage demjenigen gegeben ist,
der durch eine polizeiliche Verfügung „in seinen Rechten“ verletzt zu
sein behauptet, so sind unter diesen „Rechten“ nicht etwa nur die ver-
fassungsmäßigen Grundrechte oder sonstigen vom Gesetz individualisierten
Einzelrech.e, sondern schlechthin alle Betätigungsmöglichkeiten der persön-
lichen Freiheit zu verstehen. In diesem Sinne sind die angeführten
IP 127 ff. auch vom O stets aufgefaßt und angewandt worden, vol.
z. B. Entsch 1 330, 7 314, 10 199, 15 419, 33 454.
Aus der vorstehend gekennzeichneten subjektivrechtlichen Bedeutung
der Rechte der Preußen ergibt sich zugleich ihre objektivrechtliche. Liegt
die erstere darin, daß der Anspruch auf Unterlassung von Verwaltungs-
tätigkeiten, die ohne gesetzliche Grundlage in die persönliche Freiheit
eingreifen, in einzelnen Anwendungsfällen anerkannt wird, so ist die
letztere darin zu erblicken, daß der allgemeine Grundsatz, auf welchem
jener Anspruch beruht, als solcher, als objektive Norm, in ebenso-
weit — d. h. in der durch die Art. 5, 6, 8, 9, 12 usw. bezeichneten
Fällen — staatsgrundgesetzlich festgelegt ist. Der in Rede stehende Grund-
satz ist das Prinzip der gesetzmäßigen Verwaltung, es unter-
scheidet den Rechtsstaat vom Polizeistaat. (Vgl. O. Mayer, Verwaltungsr.
1 FKF 4, 5, Anschütz, Enzykl. S. 475, 611 und im Vrch 5 23, 406,
14 324 f.) Diese Seite der Grundrechte, ihre Bedeutung für den
„Vorbehalt des Gesetzes“, ist besonders von Otto Mayer, Verwaltungsrecht
1 75 Anm. 11 und Af öff R 18 101 betont worden: mit Recht,
sofern nur dabei nicht wieder vergessen wird, daß die kasuistische Auf-
zählung einzelner „Freiheiten“ im Tit. II weder in subjektiv= noch
in objektivrechtlicher Beziehung eine vollständige ist. Für die
subjektivrechtliche Seite der Sache ist dies bereits oben hervorgehoben
worden, das gleiche gilt für die objektivrechtliche: die Art. 3—42 sind
nicht so zu verstehen, daß nur für die dort namhaft gemachten Richtungen
Anschütz, Preuß. Verfassungs- Urkunde. I. Band.