98 Titel II zählt nicht die Gegenstände der Gesetzgebung auf.
und Gebiete der individuellen Freiheit das Prinzip der gesetzmäßigen
Verwaltung gilt, womit dann die andern, unerwähnt gebliebenen, dem
nur durch Zweckmäßigkeitsrücksichten gebundenen Ermessen der Verwaltung
überantwortet wären. Die durch jenes Prinzip gegebene Grenze steht
in ihrem ganzen Verlause fest, wenn sie auch von der Verfassung gleich-
sam nur in ihren Hauptpunkten bezeichnet wird.
Es handelt sich, wohlverstanden, bei den hier in Frage kommenden
grundrechtlichen Bestimmungen, namentlich bei Art. 5—9, 12, 22,
27—30, 33 um das Verhältnis zwischen Exekutive und Individuum,
nicht um das zwischen Exekutive und Legislative, nicht um die Ab-
grenzung der Gegenstände des Verordnungsrechts von denen der Gesetz-
gebung. Beides hängt nahe zusammen, ist aber nicht dasselbe. Nur
auf ersteres Verhältnis beziehen sich die angegebenen Bestimmungen,
nicht auf das andere, welches vielmehr durch die Sätze über die kon-
stitutionelle Gewaltenteilung (Art. 62 in Zusammenhalt mit Art. 45
und 86) seine prinzipielle Ordnung findet. Anders ausgedrückt: die
Grundrechte enthalten eine kasuistisch gesaßte Darlegung des Prinzips
der gesetzmäßigen Verwaltung, nicht aber eine Aufzählung der Gegen-
stände der Gesetzgebung. Grundsätzlich anderer Meinung in diesem
Punkte ist Arndt (vgl. bes. sein Selbst. Verordnungsr. 64 ff., Komm. 43, 44,
VArch 17 354ff.), dessen „Enumerationstheorie“ jedoch in der Literatur
fast einstimmig abgelehnt und, soweit sie mit den „Grundrechten“ operiert,
insbesondere von Anschütz, Gegenw. Theorieen 50 ff. und O. Mayer,
Aföff K 18 99ff. widerlegt worden ist. Auf diese Streitfrage ist bei Art. 62
zurückzukommen; vgl. einstweilen, außer den eben zitierten Schriften von
Anschütz und O. Mayer: Vierhaus im Värch 12 260 ff., Jellinek das. 264ff.,
Hubrich in den Ann. 1904, 852, Smend, Die preuß. Verfassung im Vergleich
mit der belgischen (1904), 33ff. — Mit der Ablehnung der Arndtschen
Auffassung der Grundrechte ist nun nicht gesagt, daß letztere für die Frage
nach den Grenzen des Verordnungsrechts bedeutungslos sind. Direkt
wird diese Frage durch die Grundrechte nicht beantwortet, aber immerhin
indirekt. Wenn nämlich Bestimmungen wie Art. 5 und 9 konkrete
administrative Eingriffe in Freiheit und Eigentum, wie Verhaftung und
Enteignung, nur mit gesetzlicher Ermächtigung zulassen, so entspricht dies
dem allgemeinen Prinzip, daß auch abstrakte Vorschriften — Verord-
nungen —, welche Freiheit und Eigentum der einzelnen beschränken,
vom Träger und von den Organen der vollziehenden Gewalt nur auf
Grund gesetzlicher Ermächtigung erlassen werden können, indem der Erlaß
solcher Vorschriften von Haus aus und grundsätzlich Sache der gesetz-
gebenden Gewalt ist. Die hiermit bezeichnete Regel über die Notwendig-