Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 3. Staatsbürgerliche und bürgerliche Rechte. 105 
sowohl die Staatsangehörigkeit (Eigenschaft eines Preußen) als die 
staatsbürgerlichen Rechte selbst (die Ausflüsse jener Eigenschaft) unter 
den Schutz der Verfassung und der Gesetze gestellt werden müssen“, 
— und gleich darauf: „der Zaussch erkennt es für ein Fundamental- 
prinzip der konstitutionellen Staatsform, daß die Staatsangehörigkeit 
und die ihr entfließenden bürgerlichen Rechte . in der Ver- 
fassung ihren Ausdruck finden“". Zwischen staatsbürgerlichen und bürger- 
lichen Rechten wird hier offensichtlich kein Unterschied gemacht. Die 
Tragweite des Art. 3 erfaßt mithin nicht nur die staatsbürgerlichen 
(politischen) Rechte des modernen Sprachgebrauchs, wie Stimmrecht 
und Wählbarkeit zum Landtage, sondern auch die Gesamtheit der 
bürgerlichen Rechte (s. oben S. 93, 99), insonderheit auch die Grund- und 
Freiheitsrechte, die „Rechte der Preußen“. Ubereinstimmend Schwartz, 
Komm. S. 49, B. Ob bei Beratung des Artikels, worauf der zitierte 
Bericht des Zaussch schließen läßt, der oben (S. 99 ff.) zurückgewiesene 
Gedanke, daß die bürgerlichen Rechte den Preußen ausschließlich zu- 
stehen, eine Rolle gespielt hat, ist für die Auslegung des Art. 3 un- 
erheblich; hier ist lediglich festzustellen, daß nicht nur die staatsbürger- 
lichen Rechte i. e. S., sondern auch alle bürgerlichen, namentlich die 
aus Tit. II ableitbaren Rechte unter den Artikel und unter die Regel 
fallen, welche der ZAussch als Fundamentalprinzip der konstitutionellen 
Staatsform bezeichnet. 
II. Dieses „Fundamentalprinzip“ fordert, daß die Grundlagen 
der subjektiv-öffentlichen Berechtigung der Staatsangehörigen in die 
Verfassung ausgenommen werden und daß es im übrigen der Gesetz- 
gebung vorbehalten bleibt, über Erwerb, Verlust und Ausübung der 
Staatsangehörigkeit und der „staatsbürgerlichen Rechte“ das Nähere zu 
bestimmen. Es sei, so äußert sich der angeführte Ber. des ZAussch, not- 
wendig, „jene Angehörigkeit und diese Rechte der Willkür zu entziehen“. 
„Willkür“ bedeutet hier den Gegensatz zu Verfassung und Gesetz: das 
freie Ermessen der Verwaltung, den Verordnungsweg. Art. 3 besagt 
also, daß Normen über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit, 
über staatsbürgerliche und bürgerliche Rechte nur im Wege der Gesetz- 
gebung, nicht durch Verordnung erlassen werden dürfen. Es ist hierin 
eine — nicht unnützliche, weil den Willen der Verfassung verdeutlichende — 
Spezialisierung des allgemeinen Grundsatzes zu erblicken, wonach der 
Erlaß aller Rechtssätze (den Rechtsstand der Personen bestimmende 
Sätze), einerlei, ob sie dem öffentlichen oder Privatrecht angehören, 
dem Gesetzgeber (Art. 62, vgl. Erläuterungen zu diesem Artikel) vor- 
behalten ist.
	        
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