106 Artikel 3. Erwerb und Berlust der Staatsangehörigleit.
III. Über „staatsbürgerliche Rechte“ in dem hier zu unterstellenden
weiteren Sinne dieses Wortes enthält die Verfassung zahlreiche Be-
stimmungen, die sich teils auf staatsbürgerliche Rechte i, e. S. (val.
z. B. Art. 70, 74), teils auf bürgerliche Rechte i. e. S., sei es auf
positive (Art. 7, 32), sei es auf negative (Art. 5, 6, 9, 12 usw.,
s. auch oben S. 960) beziehen. Dagegen hat die Verfassung die
andere im Art. 3 genannte Materie, den Erwerb und Verlust der
Staatsangehörigkeit, ohne hierüber selbst Dispositionen zu treffen, der
Regelung durch einfaches Gesetz überlassen. Da der von der Komm
der Nat Vers ausgearbeitete Gesetzentwurf über Erwerb und Verlust
der Rechte eines Preußen (val. vRZ# 1 605 Anm. 2) nicht in Kraft
trat, bewendete es vorläufig — Art. 109 — bei dem älteren Recht,
d. h. bei dem Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Eigen-
schaft als Preußischer Untertan vom 31. Dezember 1842. Darüber,
ob dieses Gesetz zur Kategorie derjenigen Normen gehöre, welche in
neuerworbenen Landesteilen ohne weiteres in Geltung treten (vgl.
oben S. 83ff.), haben die maßgebenden Meinungen geschwankt. Bei
dem Erwerb von Hohenzollern wurde die Frage von der Staats-
regierung bejaht, 1866 dagegen vemneint, so daß das Gesetz von 1842
dort ohne besondere Einführung sofort angewandt wurde, während es hier,
in den 1866 erworbenen Ländern nur ganz vereinzelt (Enklave Kauls-
dorf und Oberamt Meisenheim, vgl. RZ 1 606) eingeführt wurde und,
soweit das nicht geschah, also in Hannover, Kurhessen, Nassau, Schleswig-
Holstein und Frankfurt, die vor der Annexion bestehenden Gesetze über
Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit weiter galten. Die diese
Materie regelnden Normen wurden also im Sinne der oben S. 88ff.
dargelegten Unterscheidung nicht dem Verfassungsrecht, sondern dem
Verwaltungsrecht zugerechnet. Nachdem dann ein Versuch, den Er-
werb und Verlust der Staatsangehörigkeit für Preußen neu und einheitlich
zu ordnen, in der Landtagssession 1868/69unternommen, aber an Meinungs-
verschiedenheiten zwischen OH# und Hd Abg gescheitert war (vgl. vRZ 1607),
hat die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes sich des Gegenstandes
bemächtigt und die Frage, wie die Zugehörigkeit zu den deutschen
Einzelstaaten — und damit zugleich die Bundes((Reichs-hangehörigkeit —
erworben und verloren wird, unter Beseitigung aller einschlägigen
Landesgesetze, auch der preußischen, gemeinrechtlich und vollständig
geregelt. Es geschah dies durch das nachmals auf das ganze Reichs-
gebiet ausgedehnte Bundesgesetz über die Erwerbung und den Verlust der
Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870. Die Darstellung
des Inhalts dieses Gesetzes gehört nicht hierher.