128 Artikel 4. Zugänglichkeit der öffentlichen Amter für alle Befähigten.
Sachliche Anderungen sind mit dieser abwechselnden Ausnahme,
Streichung und Amendierung des Satzes nicht beabsichtigt worden.
Es versteht sich von selbst, daß der Satz nicht jedermann ohne
weiteres als für jedes Amt besähigt hinstellen will. Mag, was dahin-
gestellt sei, auch in Preußen jeder Soldat den Marschallstab im Tornister
tragen: ihn zu führen muß er sich erst als fähig erweisen. Die „Gesetze"
dürfen und sollen differenzieren, dürfen den Befähigungsnachweis für
die verschiedenen öffentlichen Amter verschieden regeln, dürfen über-
haupt — dies hervorzuheben bezwecken die von den Revisionskammern
eingeschalteten Worte „unter Einhaltung . . .“ — Bedingungen fest-
stellen, welche auch von solchen, die den Befähigungsnachweis i. e. S.
geliesert haben, noch zu erfüllen sind, um als geeignet für bestimmte
Amter zu erscheinen (v. Roenne a. a. O. S. 24, Anm. 11, 12).
Gestattet Satz 3, Bedingungen jeder Art vorzuschreiben? Diese
Frage ist unter dem Gesichtspunkte zu beantworten, daß der Satz mit
dem ihm voraufgehenden zweiten Satz des Artikels in engem Zusammen-
hang steht: er ist eine Spezialisierung des letzteren, eine Anwendung
der „Rechtsgleichheit", so wie Satz 2 sie meint, auf eine einzelne
Kategorie von Fällen (vgl. oben S. 110 f.). Daraus folgt, daß der be-
sondere Satz (3) in demselben Sinne verstanden sein will, wie der all-
gemeine (2); die, wie oben S. 110fff. gezeigt, dem letzteren innewohnende,
gegen die geburtsstän dischen Vorrechte gerichtete Tendenz ist auch
die des ersteren. Hiermit ist Grundlage und Grenze der Auslegung des
dritten Satzes gegeben. Der Satz schließt geburtsständische, insbesondere
Adelsprivilegien aus, andere Bevorzugungen nicht. Alle Rechtssätze, welche
hiermit in Widerspruch stehen, sind aufsgehoben und würden neuerdings
nur im Wege der Verfassungsänderung erlassen werden dürsen. Als
aufhebende Norm hat übrigens der Satz für die Zeit um 1848 materielle
Veränderungen kaum mehr herbeigeführt, denn das, wogegen er sich
in erster Linie wendet, die Bevorzugung des Adels bei der Besetzung
der Staatsstellen war — nachdem sie noch im ALN II 9 8#81 und 35
einen markanten Ausdruck erhalten hatte — als Rechtsinstitution
bereits durch die Gesetzgebung von 1808 (betreffs der Offizierstellen in
der Armee durch das Regl. v. 6. Aug. 1808, GS 1806/1810, 275, im
übrigen durch den Eingang des Publikandums betr. die Verfassung der
obersten Staatsbehörden v. 16. Dez. 1808, G a. a. O. 361) beseitigt worden.
Solche „Bedingungen“, welche eine Bevorzugung des Adels oder anderer
Geburtsstände enthalten, sind also durch Satz 3, soweit sie vordem be-
standen, abgeschafft und ihre Neueinführung ist verboten. Sonst aber
haben „die Gesetze“ von Verfassungs wegen freie Hand, Bedingungen