Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

134 Artikel ö. Die perfsnliche Freiheit. 
„gewährleistet“" durch das ALR: „Handlungen, welche weder durch 
natlrliche, noch durch positive Gesetze verboten worden, werden erlaubte 
genannt“ (Einl. § 87, vgl. Anschütz, Gegenwärt. Theor. 129). In der Tat 
hat es sich bei dem Schritt vom absoluten zum Verfassungsstaat weniger 
um dieses im alten Staatswesen schon anerkannte Freiheitsprinzip, als 
darum gehandelt, einen Folgesatz des Prinzipes auszusprechen, welcher, 
wenngleich er für den schärfer Blickenden in dem Prinzip schon enthalten 
sein mochte, doch der ausdrücklichen Feststellung bedürftig erschien. Der 
Schwerpunkt des Art. 5 liegt demnach nicht so sehr im ersten Satze, 
welcher das Prinzip enthält, sondern im zweiten, der den Folgesatz bringt. 
Sinn des Prinzipes ist: das Gesetz allein kann Erlaubtes zu Verbotenem 
machen, die persönliche Freiheit der Individuen beschränken. Und daraus 
wird gefolgert: ist dem so, ist es der gesetzgebenden Gewalt vorbehalten, 
die Freiheit zu beschränken, so kann jede andere Gewalt im Staate, 
insbesondere die vollziehende Gewalt, die Verwaltung, diese Macht- 
befugnis nur erlangen kraft Gesetzes, durch gesetzliche Ermächtigung, 
Fleichviel ob sie die Beschränkungen in das Gewand abstrakter Vorschriften 
(Verordnungen) kleiden oder im konkreten Einzelfalle durch Gebote, Ver- 
bote oder tatsächliche exekutivische Eingriffe geltend machen will. Es ist 
also (da die Bindung der Justiz an Gesetz und Recht als selbstverständlich 
vorausgesetzt wurde, überdem an anderer Stelle, Art. 86, ausgesprochen 
ist) in erster Linie die Verwaltung, auf welche Art. 5 hinzielt. Wesentlich 
um jenes Grundsatzes willen, der oben S. 97 als Prinzip der gesetz- 
mäßigen Verwaltung bezeichnet wurde, hat man den Art. 5 gegeben 
und für notwendig gehalten. Was a. a. O. über Wesen und Zweck der 
„Rechte der Preußen“ im allgemeinen gesagt wurde, ist vollinhaltlich 
hierher, auf den Art. 5 zu beziehen. Der Artikel richtet sich nicht gegen 
die Möglichkeit, daß die vollziehende Gewalt sich an die Stelle der 
Legislative setzen, durch Verordnungen regeln könnte, was nur durch 
Gesetz geregelt werden darf: dem beugt die Verfassung anderswo, in 
Art. 62 vor; — sondern dagegen, daß die Verwaltung, was zu „ver- 
ordnen“ ihr im Hinblick auf Art. 62 nicht gestattet ist, durch Verfüg- 
ungen, durch tatsächliche Akte und Eingriffe ins Werk setzt. Überein- 
stimmend (mit ausführlicher Widerlegung der gegen diese Auffassung 
von Arndt erhobenen Einwendungen) O. Mayer, Aföff R 18 99ff. 
„Beschränkungen“ im Sinne des zweiten Satzes sind administrative 
Beschränkungen, Verwaltungsakte jeder Art und Form. Gedacht hat 
man dabei, wie aus der oben 132 Nr. 1 mitgeteilten Entstehungsgeschichte 
klar hervorgeht, in erster Linie an besonders schwerwiegende, die Freiheit 
nicht sowohl beschränkende als entziehende Maßregeln, wie Verhaftung,
	        
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