140 Artikel 5. Persönliche Freiheit und Polizei.
Rechtszustand durch die Gesetzgebung vom 12. Febr. 1850 nicht berührt
worden und gilt noch heute, soweit er durch neue Gesetze nicht ab-
geändert ist. So auch die feststehende Rechtsprechung des O#, *
Entsch. 7 372, 9 420.
7. Jener Rechtszustand, unter dem natürlich nicht ein diskretionärss,
willkürliches Dürfen der Verwaltung, wie es aus dem Wesen des
Polizeistaates hergeleitet werden konnte, sondern der Inbegriff der
nach vorkonstitutionellem Staatsrecht gültig erlassenen und verkündigten
Rechtsnormen über die Befugnisse der Verwaltungsorgane zu ver-
stehen ist, besitzt formelle Gesetzeskraft, d. h. er kann nach Inkraft-
treten der Verfassung nur durch formelles Gesetz abgeändert werden
(vgl. Näheres bei Art. 109). Wichtige Normen dieser Art, welche noch
heute in Geltung stehen, sind: die V. wegen verbesserter Einrichtung
der Provinzial-, Polizei= und Finanzbehörden vom 26. Dez. 1808, 5 48
(Zwangsbefugnisse der Bezirksregierungen, val. Anschütz, Vürch 1 419ff.),
das Gesetz über die Aufnahme neu anziehender Personen vom 31. Dez. 1842,
82 Nr. 2 (polizeiliche Ausweisung bestrafter Personen, vgl. O#
2 415ff., 12 405ff.), vor allem aber die allgemeine — nach der in
der Rechtsprechung und Literatur herrschenden Ansicht nicht nur im
Landrechtsgebiete, sondern im ganzen Staatsgebiete geltende — Be-
stimmung des A# II 17, § 10 über Begriff und Umfang der Poli-
zeigewalt:
„Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe,
Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico
oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu
treffen, ist das Amt der Polizei“.
Diese Bestimmung, noch heute Grundlage und Schranke sowohl
des Verfügungs- wie des Verordnungsrechts der Polizeibehörden, ist
mit dem Prinzip des Art. 5 ebenso verträglich und vereinbar wie
jedes Spezialgesetz, welches die Bedingungen und Formen administrativer
Freiheitsbeschränkungen regelt; auch sie und sie ganz besonders muß
als „Gesetz“ im Sinne des Art. 5 Satz 2 aufgefaßt werden (O#G 7 372).
Aus ihr ergibt sich, daß die Polizei durch abstrakte Verordnungen (nach
näherer Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften über das Polizeiverordnungs-
recht) und konkrete Verfügungen die persönliche Freiheit der Einzelnen
insoweit beschränken darf, als das von ihr wahrzunehmende und zu
schützende Interesse der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung es
erfordert. Eben deshalb, weil die Grenzen dieses Dürfens durch
„Gesetz“" im Sinne des Art. 5 gezogen sind, begründet die Polizei
keine Ausnahme von dem Prinzip des Artikels, dem Prinzip der gesetz-