Artikel 6. Eindringen in die Wohnung. 145
IV. Ihrem Inhalt und Zwecke nach sind die hier in Frage bommenden
gesetzlichen Ermächtigungen zu scheiden in solche, die das Eindringen
und die Beschlagnahme von Briefen und Papieren zu Strafverfolgungs-
zwecken und solche, die es zu administrativen, insbesondere polizeilichen
Zwecken gestatten. Erstere sind durchweg reichsgesetzliche Bestimmungen:
Str PO 5KP 94 ff. (Beschlagnahme), 102ff. (Durchsuchung), letztere beruhen
zum lleineren Teile auf dem Reichs- (vgl. z. B. GewO #§ 1395
Abs. 4, Nahrungsmittelgesetz v. 14. Mai 1879, 5 2), zum größeren auf dem
Landesrecht. Unter den landesrechtlichen Vorschriften kommt zunächst
in Betracht das schon oben bei Art. 5 S. 139 erwähnte Gesetz zum
Schutze der persönlichen Freiheit vom 12. Febr. 1850, 35.7—10, welche
das Eindringen in die Wohnung regeln und durch StrPO ss§ 102 ff. nur
insoweit aufgehoben sind, als sie sich auf das Eindringen zum Zweck
der Strafverfolgung oder der Wiederergreifung entwichener Gefangener
(Str PO #s 104 Abs. 1) beziehen.
& des Gesetzes vom 12. Febr. 1850 lautet:
„In eine Wohnung darf wider den Willen des Inhabers nie-
mand eindringen, außer auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft
folgenden Befugnis oder eines von einer gesetzlich dazu ermächtigten
Behörde erteilten Auftrags.“
Diese Bestimmung wiederholt lediglich, mit etwas anderen Worten,
was im zweiten Satz des Art. 6 steht: sie ist, wie dieser, von rein
formaler Bedeutung, indem sie das Eindringen unter den Vorbehalt
des Gesetzes stellt und dieserhalb auf die bestehenden und künftig zu
erlassenden gesetzlichen Bestimmungen verweist. Vom materiellen Stand-
punkte aus betrachtet, ist sie völlig nichtssagend. Materielle Vorschriften
bringen erst die folgenden I§s des Gesetzes. „Wohnung" im Sinne
dieser Bestimmungen (welche den Charakter von Ausführungsvorschriften
zu Art. 6 haben) ist natürlich nichts anderes wie das, was Art. 6 selbst
darunter versteht; vgl. oben S. 144 Nr. II. § 8 verbietet, und zwar zunächst
ganz allgemein und unbedingt, das Eindringen während der Nachtzeit.
„Nachtzeit“ sind für die Zeit vom 1. Okt. bis 31. März die Stunden
von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens (abweichend Sir PO §5 104.),
für die Zeit vom 1. April bis 30. Septbr. die Stunden von 9 Uhr
abends bis 4 Uhr morgens. Ausgenommen von dem Verbot des
nächtlichen Eindringens sind nach § 9 „die Fälle einer Feuers- oder
Wassersnot, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Innern der Wohnung
hervorgegangenen Ansuchens“, ferner „die Orte, in welchen (und so-
lange) während der Nachtzeit das Publikum ohne Unterschied zugelassen
wird (z B. ein Restaurationslokal mit Nachtbetrieb: K## vom 25. Nov. 09
Anschütz, Preuß. Verfasfungs-Urkunde. I. Band. 10