Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 7 und Artikel 86. Artikel 8. Entstehungsgeschichte. 149 
sondern als ein Inbegriff von Rechtssätzen aufzufassen sind, auf deren 
Innehaltung der einzelne ein subjektives Anrecht hat (vgl. Meyer-Anschü#tz 
572 Anm. 5 und die dort zitierten Ausführungen von Jellinek und 
O. Mayer). 
III. In dem einen wie in dem andern Sinne (s. vorstehend zu II) 
erscheinen Art. 7 bzw. G# FS 16 nur als Folgerungen und Anwendungen 
des Prinzips der Unabhängigkeit der Justiz. Gleichwohl sind sie neben 
dem Ausspruch dieses Prinzips durch Art. 86 bzw. GVG F 1 (s. unten 
bei Art. 86) nicht überflüssig. Und zwar deshalb nicht, weil das in letzteren 
Vorschriften enthaltene Verbot, dem Richter im Verwaltungs- oder Dienst- 
aufsichtswege vorzuschreiben, wie er zu verfahren und zu entscheiden 
habe, allenfalls — in frauchem legis — von der Regierung dadurch 
umgangen werden könnte, daß sie eine Prozeßsache dem ordentlichen, 
unabhängigen Richter entzieht und vor einen außerordentlichen, ab- 
hängigen verweist. Solcher Umgehung ist durch die hier interpretierten 
Bestimmungen vorgebeugt. Art. 86 (— GVG F 1) verbietet die ad- 
ministrative Beeinflussung des gesetzlichen, Art. 7(— GVG KI 16) die Ein- 
setzung eines andern als des gesetzlichen Richters. 
Artikel 8. 
Strafen können nur in Gemähßheit des Gesetzes angedroht 
oder verhängt werden. 
1. Entstehungsgeschichte. — Die diesem Artikel mit dem vorauf- 
gehenden gemeinsame Entstehungsgeschichte ist bei letzterem, Art. 7 Nr. 1, 
dargestellt. 
2. Anslegung. — I. Wie Art. 5 das Eingreifen in die freie Selbst- 
bestimmung des Individuums, Art. 6 das Eindringen in die Wohnung, 
so stellt Art. 8 das Androhen und Verhängen von Strafen unter den Vor- 
behalt des Gesetzes. Soweit es sich hierbei um die strafende Tätigkeit der 
ordentlichen Gerichte, um die Strafjustiz handelt, ist der Artikel eine im 
Grunde überflüssige Schutzwehr, da die Gebundenheit der Justiz, also auch 
der Strafjustiz, an das Gesetz selbstverständlich ist und es auch schon zu 
Zeiten des absoluten Staates ausgeschlossen war, daß die Gerichte, für 
welche das den Inhalt des Art. 8 lateinisch ausdrückende nulla poena 
sine lege schon damals als oberster Grundsatz galt, anders straften als 
nach Maßgabe des objektiven Landesrechts. Dagegen mochte man den 
Artikel für nicht unnötig, sondern dienlich halten, um ein gesetzloses 
Androhen und Verhängen von Strafen durch die Verwaltungsorgane 
auszuschließen. Die Haupttendenz richtet sich also hier wie bei andermn
	        
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