Artikel 9. Entschädigung für nicht expropriative Eingriffe. 171
weg klaren Ausführungen) die Meinung vertritt, es handle sich beim
8 75 um einen allgemeinen Grundsatz, von dem nicht angenommen
werden dürfe, daß der Gesetzgeber ihn in dem einen Teile des Staates
gelten lassen wolle, in dem andern aber nicht. Vgl. auch Hubrich, Hirths
Ann. 1908 664, Molitor im Af öff R 20 269—274. In dem zuletzt an-
geführten Urteil, wie auch schon in einigen früheren Entscheidungen
(z. B. Zivils. 58 135) zeigt das Reichsgericht sich geneigt, einer ge-
wohnheitsrechtlichen Ausdehnung des landrechtlichen Entschädigungs-
grundsatzes auf das ganze Staatsgebiet das Wort zu reden. Ob ein
solches Gewohnheitsrecht im Entstehen begriffen ist, läßt sich zurzeit
noch nicht übersehen; daß es schon fertig ausgebildet sei, muß mit Fleisch-
mann a. a. O. 21 427 ff. und Dreyer VArch 20 189ff. entschieden verneint
werden.
11. Auf die Frage der Entschädigungspflicht bei Vermögensbeein-
trächtigungen durch rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt außer und
abgesehen von dem Spezialfalle der Enteignung bezieht sich Art. 9 Satz 2,
wie bereits erwähnt (vgl. Nr. 7 S. 164 ff.) nicht. Er läßt diese Frage völlig
unberührt, ändert die darüber bestehenden Gesetze nicht ab und schreibt
für die künftig zu erlassenden nichts vor. Er läßt sich für eine
irgendwie geartete Bejahung weitergehender, außerhalb des Rahmens der
Enteignung liegender Entschädigungspflichten und Ersatzansprüche keines-
falls direkt verwerten. Aber auch nicht analog. Ob der oben S. 163 und
bei Art. 5 S. 142 vertretene Grundsatz der Unzulässigkeit der Analogie im
Verwaltungsrecht auch solche Fälle betrifft, wo nicht von der Verwaltung,
sondern umgekehrt gegen die Verwaltung Ansprüche (wie hier Ent-
schädigungsansprüche) erhoben werden, die Analogie also nicht dazu dienen
soll, die Machtbefugnisse der Verwaltung zu erweitern, kann ununtersucht
bleiben, da die analoge Anwendung von Art. 9 Satz 2 überhaupt und ins-
besondere auf Tatbestände, die nicht Enteignung sind, durch andere Gründe
ausgeschlossen wird. Sie ist einmal überhaupt ausgeschlossen. Wenn
Satz 2, wie oben S. 167 gezeigt, nur Richtschnur für die lex ferenda, nicht
aber lex lata für Partei und Richter ist, wenn also jene aus ihm nichts
herleiten, dieser ihn nicht anwenden darf, so darf er auch weder von jener
noch von diesem zur Basis für analogisierende Operationen gemacht
werden. Solche Operationen würden andererseits, soweit sie bezwecken,
den Entschädigungsgrundsatz des Art. 9 über den Kreis der Enteignungs-
sälle hinaus auszudehnen, sich dadurch verbieten, daß es an dem Erfordernis
der Rechtsähnlichkeit sehlt. Eingriffe, wie z. B. Entziehung von Privat-
rechten durch die Gesetzgebung, Vermögensbeeinträchtigungen, welche, sei
es als beabsichtigte, sei es als Reflexwirkung, eintreten bei Handhabung