Artikel 9. Entschädigung für nicht expropriative Eingriffe. 173
Rechtsweg und Kompetenzkonflikt in Preußen, 219ff. (letztere beiden
insbesondere über die Kompetenzfrage, worüber auch OVG im Pr VBl.
28 104) und R Zivils. 26 337 ff., 35 150, 41 141ff., 191 f., 45 253,
58 135, 64 186. Die übrige Literatur ist angegeben bei Meyer-Anschütz
*222 Anm. 5 und Fleiner a. a. O. 239 Anm., dazu noch Dreyer, VüArch
17 195 ff., 20 161ff.
Ein beträchtlicher Teil dieser Literatur leidet unter dem Fehler,
daß zuviel von Gerechtigkeit und zu wenig vom Recht die Rede ist,
wobei einerseits nicht bestritten, aber übersehen wird, daß Privat-
meinungen über die Forderungen der Gerechtigkeit noch kein Recht (auch,
wofern man sich dieses als positives Recht vorstellt, kein „Billigkeits-
recht") schaffen, andererseits aber eine allzugroße Geneigtheit hervor-
tritt, das Argument der Gerechtigkeit und Billigkeit einseitig zugunsten
des Einzelinteresses, also des Anspruchs auf Entschädigung, in die Wag-
schale fallen zu lassen und dadurch unbillig zu werden gegen das Interesse
der Gesamtheit, welches das entschädigungslose Eingreifen in die Privat-
rechtssphäre nicht selten (man denke an die Aufhebung ungerechtfertigter
Bevorzugungen einzelner Personen oder Klassen, an die Beseitigung
polizeiwidriger Zustände) geradezu fordert. Der Entschädigungsanspruch
aus Vermögensbeeinträchtigungen durch rechtmäßige Ausübung der
öffentlichen Gewalt (wohlgemerkt: von der Verantwortlichkeit für rechts-
widrige Amtshandlungen, insbesondere von der Haftung des Staates
wegen Machtüberschreitungen seiner Organe ist hier nicht die Rede, vgl.
zur Trennung der Probleme Anschütz a. a. O. 4) kann also nicht auf
Erörterungen darüber, was gerecht und billig sei, sondern nur auf positive
Rechtssätze, Gesetz oder Gewohnheitsrecht, gestützt werden.
In vielen Fällen kann das bürgerliche Recht dem Entschädigungs-
bedürftigen helfen, überall da nämlich, wo der Staat nicht sein eigentliches,
hoheitliches, sondern ein privatwirtschaftliches Wesen zeigt, wo er sich be-
nimmt wie eine Privatperson und „Fiskus“ heißt. Der Staat als
Fiskus ist dem Privatrecht unterworfen; die Anwendung des Privat-
rechts erstreckt sich auch auf die Entschädigungsansprüche, welche aus
Anlaß fiskalischer Geschäftsgebarung geltend gemacht werden, und zwar
haftet der Fiskus für den Schaden, welchen seine Vertreter Dritten zu-
sügen, wie ein rechtsfähiger Verein: BGB F 89. Sofern es sich aber
um Schäden handelt, welche durch hoheitliche Staatstätigkeit, durch Hand-
habung der Staatsge walt entstanden sind, versagt das Privatrecht. Im
Streitfalle wird zunächst zu prüfen sein, ob ein Spezialgesetz dem Ent-
schädigungsanspruch zur Seite steht und, wenn dies nicht der Fall, ob
ein allgemeiner, geschriebener oder ungeschriebener Rechtsgrundsatz besteht,