Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

178 Artikel 10. Bürgerlicher Tod und Vermögenseinziehung. 
auch völlige Vernichtung der zivilrechtlichen Erwerbsfähigkeit als Folge 
anderweiter, d. h. solcher Rechtstatsachen eintreten zu lassen, die mit 
strafgerichtlicher Verurteilung nichts zu tun haben. Übereinstimmend 
Kahl, Errichtung von Handelsgesellschaften durch Religiose (1900), 4. 
Insbesondere ist durch den Artikel an den Bestimmungen über die Er- 
werbsbeschränkungen der Religiosen nichts geändert worden: die §§ 1199ff. 
A##nk II 11, wonach die Mitglieder von Orden und Kongregationen nach 
abgelegtem votum „in Ansehung aller weltlichen Geschäfte als ver- 
storben“ fingiert und für unfähig erklärt werden, „Eigentum oder andere 
Rechte zu erwerben, zu besitzen oder darüber zu verfügen“, sind un- 
berührt geblieben und erst durch das BGB (pvgl. aber EB## Art. 87) 
und ABG#, Art. 89 aufsgehoben worden. Letzteres ist bei vRzZ 2 205 
Nr. 2 außer acht gelassen; richtig Arndt, Komm. 106, Kahl a. a. O. 5, 
Giese in Hirths Ann. 1908, 369, 370. 
II. Die beiden durch Art. 10 verbotenen Strafmittel sind auch dem 
Reichsstrafrecht fremd (die in den Fällen der §s 93, 140 StrG# zulässige 
Vermögensbeschlagnahme ist nicht Vermögenseinziehung). Da 
nun die der Landesgesetzgebung noch zur Verfügung stehenden Strafen 
durch das Reichsrecht — EStrGB §§ 5, 6— ausschließend aufgezählt sind 
und dort weder der bürgerliche Tod noch die Vermögenseinziehung 
(EStrG# §5 gestattet nur die Einziehung „einzelner Gegenstände“, 
also nicht ganzer Vermögen) erwähnt ist, auch die Vermögenseinziehung 
nicht als gesteigerte Form und Abart der Geldstrafe betrachtet werden 
darf, vielmehr ein von der Geldstrafe qualitativ verschiedenes Strafmittel 
eigener Art darstellt, würden bürgerlicher Tod und Vermögenseinziehung 
dermalen durch kein Landesgesetz mehr eingeführt werden können, auch 
nicht durch ein verfassungänderndes. 
Art. 10 ist, mit andern Worten, durch Reichsrecht gedeckt und auf- 
gehoben. 
Artikel U. 
Die Freiheit der Auswanderung kann von Staatswegen 
nur in bezug auf die Wehrpflicht beschränkt werden. 
Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. 
1. Entstehungsgeschichte. — Die Freiheit der Auswanderung ist 
schon von dem vor der Verfassung geltenden Recht anerkannt gewesen, 
immerhin nicht ohne Beschränkungen, unter denen diejenigen, welche durch 
das militärische Interesse geboten erschienen, von jeher die Hauptrolle 
spielten. Insbesondere ließ seit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht
	        
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