Artikel 11 und die Reichsgesetzgebung. 181
Nachdem die Reichsgesetze, RV Art. 3 und Freizüg.-G. vom 1. No-
vember 1867, das Reichsgebiet zu einem einheitlichen Freizügigkeits- und
Wohngebiet erklärt haben, findet der Rechtsbegriff der Auswanderung
nur noch auf das Verlassen dieses Gebietes, des Reichsgebietes, nicht
mehr auf den bloßen Aufenthaltswechsel zwischen den Einzelstaatsgebieten
Anwendung; Auswanderung ist heute nur mehr die „Auswanderung
nach außerdeutschen Ländern“ (RV Art. 4 Nr. 1). In diesem Sinne ist
das Auswanderungswesen durch Art. 4 Nr. 1 der N unter die Gegen-
stände der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches eingereiht
worden; die Auswanderungsfreiheit anzuerkennen und zu beschränken
ist Reichssache. Nicht zwar schon durch das bloße Dasein dieser Reichs-
kompetenz (unrichtig vRK#Z 2 201), wohl aber durch ihre Handhabung,
durch die Tatsache, daß das Reich Auswanderungswesen und Auswande-
rungsfreiheit durch seine Gesetze geregelt hat, sind, insoweit, die den
Gegenstand betreffenden Landesgesetze, einschließlich der Verfassungs-
bestimmungen, sind also auch Normen wie Art. 11 der preußischen, 53 32
der württembergischen Verfassung vom 25. September 1819 aufgehoben
worden.
Das geltende Reichsrecht stimmt in Gewährung und Versagung
der Auswanderungsfreiheit mit Art. 11 sachlich überein. Die betreffenden
Vorschriften sind nicht enthalten in dem R über das Auswanderungs-
wesen vom 9. Juni 1897 (REBl 463), — denn dieses Gesetz regelt den
Gewerbebetrieb der Auswanderungsunternehmer und Auswanderungs-
agenten; es beschränkt deren Gewerbefreiheit, nicht die Reisefreiheit des Aus-
wanderers und läßt die Frage, wer auswandern darf, völlig unberührt —,
sondern in dem Gesetz, welches an die Stelle des oben Nr. 1 erwähnten
preußischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 31. Dezember 1842 getreten ist
und dessen einschlägige Bestimmungen einfach übernommen hat: dem BE
über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsange-
hörigkeit vom 1. Juni 1870, ö§ 15, 17, 18, sowie in den sachlich dazu-
gehörigen Vorschriften des Str#B über unerlaubtes Auswandern: 88 140,
360 Nr. 3. Wie das ältere preußische Gesetz von 1842, (s. oben 179)
so kennt auch das BG vom 1. Juni 1870 die Verweigerung der
Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nur im Zusammenhang mit
Gründen, die dem Gebiete der Wehrpflicht (und der Dienstpflicht der
aktiven Beamten) angehören (vgl. §§ 15 Abs. 2 und 17 d. G., dazu OVG
15 405 ff.). Die Beziehungen zwischen der Materie des Gesetzes und dem
Auswanderungsrecht sind die gleichen wie in dem Gesetz von 1842: die
Entlassung aus dem Staatsverband ist das maius, welches das minus,
die Gestattung der Auswanderung, einschließt. Der Zusammenhang