Artikel 12. Das Patent vom 30. März 1847. 187
die Gesetzgebung von 1823—28 und 1842—47 geschaffenen ständisch-
repräsentativen Einrichtungen (s. oben S. 17 ff.) blieben die Juden in
bezug auf Mitgliedschaft wie auf Wahlberechtigung ebenso ausgeschlossen,
wie überhaupt alle, die nicht einer der öffentlich ausgenommenen
christlichen Kirchen angehörten.
Durch das Patent, die Bildung neuer Religionsgesellschaften be-
treffend, vom 30. März 1847 (GE 121) sind die oben dargestellten
religionsrechtlichen Bestimmungen des ALR, wenngleich nicht in durch-
weg getreuer Wiedergabe des Originals (vgl. vR. 2 154 Anm. 1, 155
Anm. 3) aufs neue „zur öffentlichen Kenntnis“ gebracht und auf
das ganze Staatsgebiet ausgedehnt worden (so und nicht als „Privat-
arbeit des Staatsministeriums“ ist die dem Patent angefügte Republikation
der 88 1ff. II 11 ALR aufzufassen; unrichtig vR. a. a. O. Anm. 1,
richtig OVG 43 174), womit auch in dieser Hinsicht formell gemeines
Recht hergestellt wurde. Das Patent selbst verheißt — mehr wort- als
inhaltreich — in ziemlich unbestimmten Ausdrücken eine freiheitliche
Handhabung des Staatshoheitsrechts der Zulassung neuer Religions-
gesellschaften, hält jedoch an diesem Recht und der darin liegenden
Befugnis, die gesellschaftliche Kultusfreiheit zu gewähren und zu versagen,
ebenso wie an den sonstigen kirchenstaatsrechtlichen Grundsätzen des AL
unverändert fest.
Den llbergang von diesem vorkonstitutionellen Religionsrecht zu
dem der Verfassung bildet die V. über einige Grundlagen der künftigen
Preußischen Verfassung vom 6. April 1818 (GS 87, vgl. auch oben 35).
Sie bringt insbesondere die vordem auf dem religiösen Gebiete nicht
minder wie auf dem weltlichen mangelnde Vereinigungsfreiheit (G 4
d. V.) und die volle Unabhängigkeit der staatsbürgerlichen Rechte von
dem Glaubensbekenntnis (& 5).
Vgl. zu dem Vorstehenden: Richter-Dove-Kahl, Kirchenrecht 88 70ff.,
98ff.; Fürstenau, Das Grundrecht der Religionsfreiheit (1891), 74 ff.,
158 ff.; Zorn, Die Hohenzollern und die Religionsfreiheit (1896); vR
2 151 ff.; Hinschius, Staat und Kirche 208 ff.; Kahl, Lehrsystem des
Kirchenrechts und der Kirchenpolitik 1 289ff., 318 ff.; von Treitschke,
Deutsche Geschichte 5 349ff.
2. Entstehungsgeschichte des Art. 12. — Die Reg ork stellt in
ihrem § 10 den soeben erwähnten Unabhängigkeitsgrundsatz, § 5 der
V. vom 6. April 1848, voran und fügt hinzu: „Allen Staatsbürgern
ist die Freiheit gemeinsamer Religionsübung gestattet, soweit dadurch
weder ein Strafgesetz übertreten, noch die öffentliche Sicherheit, die
Ordnung oder Sittlichkeit verletzt oder gefährdet wird.“ Der KommEntw