Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

2 . Ständclum und Absolutismus. 
„preußische“, das heißt provinzialpreußische, osipreußische (denn „Preußen“ 
bedeutet in der Werdezeit des Gesamtstaates noch nicht diesen, 
sondern sein nachmaliges Glied, die Provinz Ostpreußen), nicht aber 
gesamtpreußische Stände. Der preußische Gesamtstaat, diese durch 
Überwindung der bloßen Personalunion hergestellte neue, von ihren 
Gliedeim, den einst selbständigen Territorien verschiedene Staatsindi- 
vidualität, zeigt weder patrimoniale Züge, noch besitzt sie ständische Ein- 
richtungen; er ist ein mittelalterlicher Patrimonial- und Ständestaat 
niemalsgewesen, sondern von Anbeginn eine neuzeitliche absolute Monarchie. 
Doch wie dem sei: jedenfalls geht wie in anderen deutschen, so 
auch in den Ländern, aus denen in der zweiten Hälfte des 17. Jahr- 
hunderts der preußische Staat zusammengefügt wurde, die ständisch- 
patrimoniale Entwicklungsstufe der absolut-monarchischen voraus. Wie 
anderwärts, so ist auch hier der Bau des monarchischen Absolutismus 
auf den Trümmern jener älteren politischen Ordnung errichtet worden. 
Und so fügt sich der Verlauf der preußischen Staatsbildung dem gemein- 
deutschen Normalbilde wieder ein. 
Auch die Art, wie der vordringende Absolutismus das Ständetum 
beiseite schiebt, zeigt nichts, was von den analogen Vorgängen in anderen 
Ländern wesentlich verschieden wäre. Wie in Osterreich, in Frankreich, 
sind auch bei uns die alten Ständekorporationen von der absoluten 
Monarchie nicht formell aufgelöst, wohl aber ihres staatsrechtlichen Ein- 
flusses, namentlich ihres Steuerbewilligungs- und -verwaltungsrechtes 
beraubt und dadurch in Untätigkeit, sozusagen in dauernden Ruhestand 
versetzt worden: ein Werk, welches der Große Kurfürst begann und 
König Friedrich Wilhelm I. vollendete. Schon in den letzten Regierungs- 
zeiten des ersteren wurden die Stände der nunmehr zu Provinzen 
des brandenburgisch-preußischen Einheitsstaates gewordenen Territorien 
nirgends und niemals mehr einberufen, und späterhin geschah dies erst 
recht nicht mehr, höchstens daß man nach eingetretenem Thronwechsel 
die Stände dieser oder jener Provinz zu einem politisch bedeutungslosen. 
„Huldigungstage“ versammelte. Auch die in den späteren Erwerbungen 
— Schlesien, Westpreußen, den durch den Reichsdeputationshauptschluß 
von 1803 an Preußen gekommenen sog. Entschädigungsländern — vor- 
gefundenen Stände wurden nicht ausdrücklich aufgehoben, aber als für 
die königliche Gewalt nicht vorhanden betrachtet. Ohne Ausnahme 
und Einschränkungen galt in dem Preußen des 18. und beginnenden 
19. Jahrhunderts der Satz, mit dem das ALR das Wesen der ab- 
soluten Monarchie erschöpfend kennzeichnet: alle Rechte und Pflichten 
des Staates gegen seine Bürger und Schutzverwandten vereinigen sich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.