Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Erstes Aufkeimen konstitutioneller Gedanken. 3 
in dem Oberhaupte desselben (ALF II 13, S. I). Der König war 
Träger der ganzen Staatsgewalt, er teilte, ein unbeschränkter Monarch, 
diese Gewalt weder dem Recht noch der Ausübung nach mit irgend 
einem anderen Staatsorgan und war in der Ausübung an niemandes 
Zustimmung oder auch nur beratende Mitwirkung gebunden. 
Das feste Gefüge dieses im 17. Jahrhundert geschaffenen, im 18. 
in aller Reinheit ausgebildeten Absolutismus hat der großen geistigen 
Angriffsbewegung, welche, von England und Frankreich ausgehend, allent- 
halben bestrebt war, die Fürstenmacht durch den Volkswillen zu be- 
schränken, an Stelle der Gewaltenvereinigung Gewaltenteilung zu setzen, 
den Regierten einen Anteil an der Regierung zu verschaffen, länger 
Widerstand geleistet als dies die gleiche Staatsform in den meisten anderen 
Ländern vermochte. Erst ein Menschenalter später als die ihm an 
Größe und Bedeutung in Deutschland am nächsten kommenden, die 
süddeutschen Staaten, erst 1848 ist Preußen zum konstitutionellen System 
übergetreten. Damit war der Endpunkt einer Entwicklung erreicht, 
welche, wenn man ihre frühesten Stadien, das Hervortreten der ersten Ge- 
danken und Entwürfe mit einrechnet, einen Zeitraum von mehr als 
40 Jahren umspannt. 
Das erste Auskeimen von Ideen, welche den Namen „konstitutionell“ 
verdienen, steht bei uns in zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang 
mit der großen Erneuerung, welche der preußische Staat nach den 
Schicksalsschlägen der Jahre 1806 und 1807 erfuhr: mit der Stein- 
Hardenbergschen Reform. Die großen Staatsmänner, die dieser Reform 
den Namen gegeben haben, waren beide überzeugte Anhänger des 
konstitutionellen Systems, welches sie in seinen Grundgedanken: Be- 
teiligung des Volkes bei der Bildung des Staatswillens, Gewalten- 
teilung, Ministerverantwortlichkeit, billigten und dem Absolutismus 
als die vollkommnere Staatsform vorzogen, wiewohl Stein die Ein- 
führung dieses Systems als eine Frage mehr der Zukunft als der 
Gegenwart betrachtete und es im übrigen weder ihm noch Hardenberg 
beschieden gewesen ist, die Einführung zu bewirken oder auch nur zu 
erleben. " 
Über die Stellung der beiden Reformminister zum Konstitutionalis- 
mus im allgemeinen und zu der Konstitutionalisierung Preußens ins- 
besondere verbreitet die neuere Erfassung ihres Lebens und Wirkens 
helles Licht. Schon — um einen Ausgangspunkt zu gewinnen — die 
für den König bestimmte Denkschrift Steins vom 27. April 1806 (Leh- 
mann 1 401 ff.) ist, mag es auch wohl übertrieben sein, in ihr die 
„Geburtsstunde des preußischen Konstitutionalismus“ zu erblicken, schon 
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