Artikel 12. Das Recht auf die Bezeichnung „Kirche“. 217
kirchen (welche dem Art. 12 gegenüber nicht mehr würden bestehen
können), sondern um Organisationsprivilegien, deren Fortfall durch
die Kultusfreiheit nicht bedingt ist.
Aus dem gleichen Grunde darf eine Religionsgesellschaft sich auch
nicht einen Namen beilegen, auf welchen bereits eine andere ein ihr
eigenes Rechk erworben hat. So wurde in der vom OV# gebilligten
Verwaltungspraxis den von der evangelischen Landeskirche sich getrennt
haltenden Lutheranern (Altlutheranern) die Befugnis abgesprochen, ihre
Gemeinden „evangelisch-lutherische Kirchengemeinden“ und ihre Geist-
lichen „evangelisch-lutherische Pfarrer“ zu nennen, da hierdurch Ver-
wechselungen mit den Einrichtungen und Geistlichen der Landeskirche
entstehen könnten: OVG 38 435ff., vgl. auch 33 29 f. Neuerdings
ist hierin durch das oben angeführte Gesetz vom 23. Mai 1908 insofern
Wandel geschaffen worden, als die örtlichen Organisationen der Alt-
lutheraner nunmehr die amtliche Bezeichnung „evangelisch-lutherische
Kirchengemeinden“ und ihre Gesamtheit den Namen „Verein der
evangelisch = altlutherischen Kirchengemeinden“ erhalten haben. Auch
dürfen auf Grund (insoweit nicht überflüssigen) Art. III dieses Gesetzes
die Altlutheraner ihre gottesdienstlichen Gebäude „Kirchen“ nennen.
Die letztere, hiermit vom Gesetzgeber für einen Spezialfall affirmativ
entschiedene Frage ist im übrigen und im allgemeinen für die ver-
schiedenen Provinzen bzw. Rechtsgebiete des Staates verschieden zu
beantworten. Im Geltungsbereiche des A##N ist das Recht, die Kultus-
gebäude „Kirchen zu nennen, ein ausschließliches Vorrecht der Landes-
kirchen — AdR II 11 §& 18, — welches, da es eine Beschränkung
der verfassungsmäßigen Kultusfreiheit anderer Religionsgesellschaften
nicht in sich schließt, als fortbestehend angesehen werden muß. Wo
aber, außerhalb des Landesgebietes, z. B. in der Provinz Schleswig-
Holstein, ein solches Vorrecht in den älteren Landesgesetzen nicht
begründet ist, da kann es auch nicht beansprucht werden (so, in ein-
gehender und überzeugender Darlegung, OG 43 164 ff.) —
Die Freiheit der Religionsgesellschaften und ihres Kultus bedarf,
um sich voll auswirken zu können, eines gewissen Maßes von Freiheit
der Lehre und des Unterrichts. Kultus und Lehre hängen aufs engste
zusammen und sind namentlich in denjenigen Religionsgesellschaften,
welche — nach protestantischer Art — den Lehrvortrag, die Predigt,
in den Mittelpunkt des Gottesdienstes stellen und die nicht-lehrhaften,
mehr sakramentalen Kulthandlungen dahinter zurücktreten lassen, von-
einander überhaupt untrennbar. Insofern ist die Lehrfreiheit, wie es
in der unten S. 219 besprochenen Entscheidung des O# 22 403 heißt,