Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

238 Artikel 13. Religionsgesellschaften. 
a. a. O. 13, Meurer, Die juristischen Personen nach deutschem Reichs- 
recht, 337, 339 Giese in Hirths Annalen 1908, 296 f. 
2. Religionsgesellschaften und geistliche Gesellschaften. — 
I. Der Begriff der Religionsgesellschaft ist nach der Verfassung 
ein einheitlicher, hier also kein anderer wie in Art. 12, und sind daher 
die dort S. 198ff. gegebenen Ausführungen auch hierher, auf Art. 13 
zu beziehen. „Religionsgesellschaft" bedeutet hier so wenig wie dort 
dasselbe wie „religiöser Verein“ (oben S. 202) oder wie „Religions- 
gesellschaft“ im landrechtlichen Sinne dieses Ausdrucks (S. 199); es 
handelt sich überall nicht um alle möglichen und denkbaren Vereini- 
gungen zu religiösen und kirchlichen Zwecken, sondern um die engere 
Kategorie der Religionsgesellschaften, so wie sie oben 200—202 abgegrenzt 
worden ist. Religionsgesellschaft ist die Gemeinschaft der Bekenner 
eines bestimmten und besonderen Glaubensbekenntnisses. 
Tatsächlich kommt — da die in erster Linie unter den Begriff der 
Religionsgesellschaft fallenden Landeskirchen, wenigstens in ihren ört- 
lichen Gliederungen (Gemeinden), Korporationsrechte bereits vor der 
Verfassung befaßen — der durch Art. 13 vorgeschriebene Weg der Er- 
langung der Korporationsrechte vornehmlich für die kleineren, nicht 
„öffentlich ausgenommenen“ Religionsgesellschaften, die Sekten, in 
Frage. Deutlich tritt dieser Gedanke in dem Bericht des Zuussch 
(oben S. 235) hervor, wo von neu auftauchenden „Glaubensmeinungen 
und Religionsvereinen“ sowie von der „Sektenbildung“ die Rede 
ist, welche letztere, wenn auch freigegeben, so doch nicht (nämlich 
durch zuweitgehende Liberalität in bezug auf Verleihung der Kor- 
porationsrechte) zu begünstigen sei. Auch mit dem landrechtlichen 
Begriff „Kirchengesellschaft“ decken sich die „Religionsgesellschaften“ der 
Verfassung nicht (AM Schwartz 78, richtig dagegen Bornhak Prtx 
3 627, Giese in Hirths Ann. 1908 170). Kirchengesellschaft im Sinne 
des A#n ist nur die Einzelgemeinde (s. oben S. 199), Religionsgesell- 
schaft im Sinne des neueren (nachlandrechtlichen) Sprachgebrauchs und 
der Verfassung dagegen die Gesamtgemeinde mitsamt ihren Einzel- 
gemeinden. Art. 13 sagt also nicht, daß die vorbehaltenen „besonderen 
Gesetze“ nur den lokalen Organisationen und nicht auch der Bekenner- 
schaft eines neuen Glaubens in ihrer Gesamtheit die Korporations- 
eigenschaft verleihen dürfen, überläßt es vielmehr dem Gesetzgeber, das 
eine oder das andere, oder auch beides (Verleihung der Korporations- 
rechte sowohl an die Gesamtheit wie an die Einzelgemeinden) zu tun. 
In den beiden ersten der seither vorgekommenen Präzedenzfälle — 
Gesetz betr. die Verhältnisse der Menoniten vom 12. Juni 1874, GS 238,
	        
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