8 Die Verfassungsfrage auf dem Wiener Kongreß.
Eigentum, die persönliche Freiheit und die Verfassung betreffende
neue Landesgesetze können ohne den Rat und die Zustimmung
der Landstände nicht eingeführt werden“; vgl. Lehmann 3 394) sowie
die Steuerbewilligung zustehen sollte. Dieser Entwurf wurde noch
vor Eröffnung des Kongresses, Anfang September 1814 von dem
preußischen dem österreichischen Staatskanzler Metternich übermittelt
und sodann, — auf zwölf Artikel („Deliberationspunkte") verkürzt und
stark verändert (wobei insbesondere der Satz über die Landstände er-
heblich abgeschwächt wurde) — dem „Deutschen Komitee“, der Delegierten-
konferenz der fünf größten deutschen Staaten (Osterreich, Preußen,
Bayem, Hannover, Württemberg) zur weiteren Beratung vorgelegt.
Nachdem hier, infolge des Widerspruchs, welchen Bayern und Württem-
berg unter Berufung auf ihre Souveränetät gegen jede den Einzel-
staaten vom Bunde aufzulegende Pflicht zur Gewährung konstitutio-
neller Einrichtungen erhoben, eine Einigung nicht erzielt werden
konnte und das Deutsche Komitee sich daraufhin tatsächlich aufgelöst
hatte, ergriff die preußische Regierung nochmals die Initiative. Ihre
im Februar und Mai 1815 den übrigen Regierungen mitgeteilten
Entwürfe einer Deutschen Bundesakte (verfaßt von W. v. Humboldt)
enthalten durchweg eine die „landständischen“ Institutionen betreffende
Klausel (vgl. Klüber, Akten 1II 44, 304), welche in dem Mai-Entwurfe
folgendermaßen lautete: „In allen deutschen Staaten wird die be-
stehende landständische Verfassung erhalten oder eine neue, der-
gestalt zu organisierende, daß alle Klassen der Staats-
bürger daran teilnehmen, eingeführt, damit den Landständen
das Recht der Bewilligung neuer Steuem, die Beratung über
Landesgesetze, welche Eigentum oder persönliche Frei-
heit betreffen, die Beschwerdeführung über bemerkte Verwaltungs-
mißbräuche und die Vertretung der Verfassung und der aus ihr her-
fließenden Rechte einzelner zustehe.“ Doch auch diese Formulierung,
obwohl sie die bundesmäßig garantierte Minimalkompetenz der parti-
kularen Volksvertretungen weitergehenden (insbesondere den von Stein
erhobenen, s. oben) Forderungen gegenüber bemerkbar herabsetzte, in-
dem sie für die „Stände“ nur bei der Steuerbewilligung beschließende,
bei der Gesetzgebung aber nur beratende Mitwirkung verlangt, stieß
auf den Widerstand der süddeutschen Regierungen und auch Osterreichs.
Letzteres war dagegen, weil es zu irgendwelchen konstitutionellen Kon-
zessionen überhaupt ernstlich nicht geneigt war, die Süddeutschen, weil
sie hierzu zwar geneigt und entschlossen waren, aber, in der Überspannung
ihres Souveränetätsgefühls, es ablehnten, sich über die Ausführung