264 Artikel 14. Entstehungsgeschichte.
an der vom Staate wie bisher befolgten besonderen Rücksichtnahme
auf die christliche Religion (als Beispiel wird wiederum die staatliche
Anordnung und Durchführung der Sonntagsruhe und der Feier
der christlichen Feste angegeben) festgehalten werden. Da nun
immerhin der Verfassungsartikel über die Religionsfreiheit so aus-
gelegt werden könne, als stehe er einer solchen besondern Berück-
sichtigung des Christentums entgegen, so müsse er einen Zusatz der
vorgeschlagenen Art erhalten. Ohne den Zusatz „würden die Bekenner
anderer Religionen einen begründeten Anspruch gegen die Berück-
sichtigung der Sonntagsfeier in staatlichen Angelegenheiten erheben
können". Die Erwähnung der konfessionellen Unterschiede in dem
Zusatze sei nicht nötig, da im Punkte der Sonntagsfeier (den der
Redner offenbar als das wichtigste Kriterium des „christlichen Staates“
ansieht) ein solcher Unterschied zwischen den christlichen Konfessionen
nicht bestehe.
Der Antrag Viebahn fand schließlich den Beifall einer sehr
großen Mehrheit der II. K. (a. a. O. 1151), nachdem vorher (val.
a. a. O. 1140, 1148 f.) ein Antrag v. Kleist-Retzow auf Wieder-
beschränkung der bürgerlichen Gleichberechtigung der Konfessionen, sowie
die oben erwähnten Anträge Weihe, Keller und Krassow und die
Fassung der I. K. der Reihe nach verworfen worden waren. Die
Reihenfolge bzw. die Versetzung des Antrags Viebahn an den Schluß
dieser Formulierungen sollte bedeuten und beweist, daß man den Antrag
Viebahn für den am wenigsten weitgehenden, auch für minder weit-
gehend hielt als die Fassung der I. K. (Antrag Walter-Goldtammer),
daß also die Moajorität der II. K. in ihm das Höchstmaß dessen erblickte,
was man der Forderung des „christlichen Staates“ ohne Gefährdung
der Religionsfreiheit konzedieren könne.
Dem Beschluß der II. K. hat sich die I. K. gefügt (I. K. 1943, 1944)
und ist so der Antrag Viebahn geltendes Recht geworden.
2. Grundgedanken und Zweck des Artikels im allgemeinen. —
Uberblickt man den Gang der vorstehend geschilderten Entstehungsgeschichte,
so ergibt sich als Kern der Gedanken, welche durch Art. 14 Gesetz
geworden sind, die Befürchtung, es möchte durch die Verfassung das
Band, welches Staat und Kirche von altersher verknüpft, in weiter-
gehendem Maße zerschnitten werden, als man seitens der verfassungs-
gebenden Faktoren zu bewilligen gesonnen war. Man besorgte (daß
dieser „man“ nicht in der Staatsregierung noch in den beiden
Kommissionen, sondern in den Majoritäten beider Revisionskammern zu
suchen, geht aus der oben gegebenen Schilderung hervor), daß die reine