Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Die Verordnung vom 22. Mai 1815. 9 
ihrer Entschlüsse von dem künftigen Deutschen Bunde Vorschriften 
machen zu lassen. So sah sich Preußen vereinsamt und mußte nach- 
geben. In dem von ihm am 23. Mai 1815 gebilligten österreichischen 
Bundesplan, dem unmittelbaren Vorentwurf der Deutschen Bundes- 
akte, war die Garantie des Repräsentativsystems zu dem Satze zu- 
sammengeschmolzen: „In allen Bundesstaaten soll eine landständische 
Verfassung stattfinden“". Und selbst hiergegen erhob sich von mittel- 
staatlicher Seite (Bayern) noch Widerspruch: souveräne Staaten dürfe 
man nicht mit „soll“ anreden. So setzte die am 8. Juni 1815 end- 
gültig beschlossene Fassung der Deutschen Bundesakte, Art. 13, an 
Stelle des „soll“ ein farbloses „wird"“. Der Befehl war in eine 
Verheißung verwandelt, eine Verheißung, mit deren Erfüllung es ge- 
rade in Preußen, dessen Vertreter auf dem Wiener Kongreß statt ihrer 
den Befehl gewollt hatten, länger als — von Osterreich abgesehen — 
in den anderen deutschen Staaten gedauert hat, weit länger nament- 
lich als in Süddeutschland, dessen Regierungen ja bei den Kongreß- 
verhandlungen nicht gegen den Konstitutionalismus, sondern nur gegen 
dessen Oktroyierung durch die Bundesgewalt kämpften und ihren 
Willen, den Absolutismus aufzugeben, durch Einführung konstitutio- 
neller Verfassungen alsbald (Bayern und Baden 1818, Württemberg 1819, 
Hessen-Darmstadt 1820) verwirklicht haben. 
Gegen Ende des Wiener Kongresses schien freilich auch in 
Preußen der UÜbergang zum konstitutionellen System in unmittelbare 
Nähe gerückt zu sein. Noch vor dem Abschluß der Bundesakte, also 
nicht erst in Erfüllung ihres Art. 13, sondern aus freien Stücken er- 
ließ der König am 22. Mai 1815 die Verordnung über die zu bildende 
Repräsentation des Volks (Ge 103). 
In der Einleitung dieser Verordnung wird motivierend dargelegt, 
wie die Geschichte des Preußischen Staates zwar zeige, „daß der 
wohltätige Zustand bürgerlicher Freiheit und die Dauer einer ge- 
rechten, auf Ordnung gegründeten Verwaltung in den Eigenschaften 
der Regenten und in ihrer Eintracht mit dem Volke bisher diejenige 
Sicherheit fanden, die sich bei der Unvollkommenheit und dem Un- 
bestande menschlicher Einrichtungen erreichen läßt". „Damit sie je- 
doch“, fährt der König fort, „desto fester begründet, der Preußischen Nation 
ein Pfand Unseres Vertrauens gegeben und der Nachkommenschaft die 
Grundsätze, nach welchen Unsere Vorfahren und Wir selbst die Regierung 
Unsers Reichs mit ernstlicher Vorsorge für das Glück Unserer Untertanen 
geführt haben, treu überliefert und vermittelst einer schriftlichen Ur- 
kunde, als Verfassung des Preußischen Reichs, dauerhaft
	        
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