Artikel 14. Advokatie außerhalb des Artikels 14. 281
(Unabhängigkeit der Befähigung zu öffentlichen Amtern von dem Re-
ligionsbekenntnis). Art. 14 begründet keine Ausnahmen von dem
Grundsatz der Unzulässigkeit staatlichen Zwangs zur Beteiligung an
Kultushandlungen (oben S. 195, 230, 233). — Keine Verletzung
der Religionsfreiheit liegt darin, daß jedermann, also auch der Nicht-
christ, verpflichtet ist, die Vorschriften über die Sonntagsruhe zu be-
folgen: das Ruhehalten am Sonntag ist keine christliche Kultushandlung,
sondern eine bürgerliche Pflicht, welche aus Rücksicht auf den christlichen
Kultus auferlegt ist. Solche Pflichten zu statuieren ist durch Art. 12
nicht verboten. Bgl. auch oben S. 232.
7. Das ius advocatiae außerhalb des Art. 14. — Art. 14 handelt
nicht von allen Seiten des ius advocatiae (oben S. 266, 267), sondern
nur von einer: derjenigen, die sich in der Berücksichtigung der kirchlichen
Interessen im öffentlichen Leben und den Staatseinrichtungen betätigt.
Die anderen Seiten sind damit nicht verneint, sondern bleiben unbe-
rührt. So die Gewährung staatlicher Vollstreckungshilfe für religions-
gesellschaftliche Zwecke („Verleihung des weltlichen Arms'"), die Aus-
stattung von Religionsgesellschaften mit öffentlichrechtlichen Befugnissen
(z. B. Besteuerungsrecht, vgl. oben S. 246, 267), die Dotation der
Religionsgesellschaften aus Staats- und Gemeindemitteln (oben S. 275,
und unten bei Art. 15 S. 336 ff.), der strafrechtliche und polizeiliche
Schutz der Religionsgesellschaften. Keine der hiermit bezeichneten Funk-
tionen der Advokatie fällt unter Art. 14, keine ist durch ihn gebunden;
es kann also jede von ihnen ohne Verstoß gegen den Artikel auch zu-
gunsten nichtchristlicher Religionen und Religionsgesellschaften ausgeübt
werden. Insbesondere unterliegt die Gewährung von Staatsdotationen
an nichtchristliche Religionsgesellschaften dem freien Ermessen der gesetz-
gebenden Faktoren; die Einstellung entsprechender Fonds in den Etat
involviert eine Anderung des Art. 14 nicht. Die Praxis stimmt hiermit
überein. Wie oben S. 275 erwähnt, hat sich weder die Staats-
regierung, noch der Landtag durch den Artikel behindert gefühlt, den
jüdischen Religionsunterricht staatlich zu subventionieren. Allerdings sind
Anträge auf Gewährung von dauernden Staatsbeihilfen an leistungsun-
fähige jüdische Kultusgemeinden an ihre Geistlichen und deren Hinter-
bliebene bei Beratung der Gesetze betreffend die Besoldung der evan-
gelischen und katholischen Pfarrer im Jahre 1909 vom Hdbg abgelehnt
worden. Maßgebend für diese Ablehnung war jedoch nicht das Bedenken,
welches einzelne Abgeordnete (Tourneau, Viereck) aus Art. 14 herleiten
wollten, sondern die Erwägung, daß die staatliche Dotierung, insbesondere
zu dem Zwecke von Diensteinkommens verbesserungen der Geistlichen, ein