Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 16. Entstehungsgeschichte. 285 
dagegen Rechte seitens des Staates geltend zu machen, erscheine für 
den Staat unbillig . .“ Indessen seien doch diese Bedenken gegen- 
über den Gründen, welche für den Artikel sprechen, insbesondere auch 
angesichts der Tatsache, „daß die Grundsätze des Artikels, einmal aus- 
gesprochen, auch schon zur Anwendung gekommen sind“, zurückzustellen 
und der Artikel daher zur unveränderten Aufrechterhaltung zu 
empfehlen. Freilich sei eine „Auseinandersetzung des Staates mit 
den Kirchen“ — d. h. eine gesetzliche Regelung der Verhältnisse 
zwischen Staat und Kirchen — unumgänglich, namentlich auch, soweit 
die evangelische Kirche in Betracht komme, deren Selbständigkeit in 
Gestalt besonderer Repräsentanten und Organe teilweise erst geschaffen 
werden müsse. Einen Zusatzantrag: „Sie (die Kirchen) bleiben aber 
den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen“ hat der Zuussch ab- 
gelehnt, „da dessen Inhalt sich von selbst verstehe“. Ob die Religions- 
gesellschaften nur den „allgemeinen“ und nicht auch den in bezug 
auf sie erlassenen und noch zu erlassenden besonderen Gesetzen unter- 
worfen sein sollen, darüber sagt der Ber des Zussch nichts. 
In den Debatten der I. K. (a. a. O. 993 ff.) kehrten die in dem 
Ber des Zussch hervorgehobenen Zweifelsgründe in verstärkter Gestalt 
wieder. Die Mehrheit fühlte ganz richtig heraus, daß das neue 
Staatskirchenrecht mit seiner Kirchenfreiheit, der Berücksichtigung des 
Kirchenwesens im öffentlichen Leben (Art. 14, vgl. die Hinweise hierauf 
I. K. 997 Sp. 2, 1000 Sp. 2, 1008 Sp. 2), der Belassung der Kirchen 
im Besitze ihrer Stiftungen, Fonds und Privilegien der Kirche zuviel 
Rechte gewähre, zuwenig Pflichten auferlege, sich also durch zuviel 
Schutz, zuwenig Aussicht kennzeichne. In einer eindrucksvollen Rede 
(a. a. O. 997 ff.) warnte der Abg. v. Ammon, mit der Preisgabe der 
staatlichen Kirchenhoheit zu freigebig zu sein und riet, wenigstens auf 
dem Gebiete der sogenannten äußeren Angelegenheiten der Kirchen 
(Externa) an dem überlieferten und auch anderwärts, sogar in dem 
efrommen Belgien“ bestehenden Mitbestimmungsrecht der weltlichen 
Gewalt festzuhalten. Auch sei die Fassung: „und bleibt im Besitz und 
Genuß der für ihre Kultus- usw. Zwecke bestimmten Anstalten“ usw. 
zu bemängeln, da die Kirche hieraus einen modus acquirendi ent- 
nehmen und das Recht herleiten könnte, „dasjenige in Anspruch zu 
nehmen, was zwar für ihre Zwecke bestimmt ist, worauf sie selbst aber 
kein Recht hat". Dem Abg. v. Ammon folgend beschloß die I. K., den 
Artikel folgendermaßen zu formulieren: 
„Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie 
jede andere Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.