Artikel 15. Der Artikel gestattet auch „besondere" kirchenpolit. Gesetze. 295
gewalt gegenüber frei und selbständig.“ Die Motive (vgl. #R, Mat. 38) be-
merken hierzu: „Hier ist die Unabhängigkeit der Religionsgesellschaften
vom Staate anerkannt.“ Wenn die Staatsregierung den so motivierten
Satz „ungeeignet“ fand (s. oben S. 283) und ihn deshalb nicht in die
oktr## übernahm, vielmehr eine Anlehnung an die — durchaus nicht
auf der Koordinationstheorie beruhenden — Frankfurter Grundrechte
vorzog, so geschah dies, wie aus den ministeriellen „Erläuterungen“
zu entnehmen (oben a. a. O.), nicht sowohl deshalb, weil die Grenze
der „inneren“ Angelegenheiten schwer bestimmbar sei, sondern vor
allem deshalb, weil es (nämlich aller krrchlichen Tätigkeit gegenüber,
auch im Bereiche der „interna“) ein „negatives“ Staatshoheitsrecht
gebe, auf welches der Staat „niemals verzichten könne“. Die „Er-
läuterungen“ und der aus ihnen redende Kultusminister v. Ladenberg
erblickten offenbar in der Textfassung und den Motiven der Kommission
der Nat Verf („der Staatsgewalt gegenüber frei und selbständig“,
„Unabhängigkeit der Religionsgesellschaften vom Staat“") einen Ver-
zicht auf das „negative Recht“ des Staates — gemeint sein kann da-
mit nur die Aufsichtsgewalt (richtig der Komm Ber von 1873, s. oben
S. 291) — und wollten dem Staat dieses sein Recht wahren. Art. 12
oktr V ist also von der Staatsregierung nicht formuliert und den Rev.=
Kammern nicht vorgelegt worden in der Meinung, damit Kirchenhoheit
und Aussichtsrecht preiszugeben. Und ebensowenig ist die schließliche un-
veränderte Annahme des Artikels seitens der Kammern in dieser Meinung
ersolgt. Der ZAussch der I. K. betont die Selbstverständlichkeit der
Unterwerfung der Kirche unter die „allgemeinen“ Staatsgesetze und
die Rev Komm der II. K. hält wiederum die von der I. K. geforderte
ausdrückliche Statuierung des Staatsaufsichtsrechtes guoad externa für
den überflüssigen Ausspruch einer Selbstverständlichkeit (loben S. 284—286).
Wie wenig es freilich überflüssig war, diese „Selbstverständlichkeiten“
in den Verfassungstext hineinzusetzen, sollte die Folgezeit lehren. —
Die Frage, ob Art. 15 es gestatte, das Staatsaufsichtsrecht spe-
zisisch zu differenzieren, mit anderen Worten die Religionsgesellschaften
nicht nur den „allgemeinen“ (für alle Gesellschaften geltenden), son-
dern auch „besonderen“ (nur für Religionsgesellschaften oder Gruppen
von solchen oder nur für einzelne Religionsgesellschaften geltenden)
Gesetzen zu unterwerfen, ist bei den Revisionsverhandlungen nicht zur
Aussprache gekommen (vgl. oben S. 284, Ber. des Zaussch). Dies
Schweigen bedeutet aber nicht, wie der Abg. Reichensperger (oben
S. 289, 290) meinte, Ausschließung der „besonderen Gesetze“. Art. 15
verbietet den Erlaß solcher Gesetze nicht. Die kirchenpolitische Praxis