Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

12 Bereisung der Provinzen. 
erklärte in einer Eröffnungsansprache, daß die älteren Landstände „nicht 
zum Nutzen des Staates wirkten, sondern nur Wächter der Privilegien 
einzelner Abteilungen der Staatsbürger und wahre Hemmräder in der 
Staatsmaschine waren". Nicht diesen Ständen, sondern dem „Genie 
seiner Regenten"“ verdanke der Staat seinen Ausschwung. Der 
„jetzige Zustand“ — der Redner meinte den monarchischen Absolutismus 
— könne indessen nicht ohne Nachteil fortdauern: eine „besser 
geregelte, allen Klassen der Einwohner zugute kommende und den Be- 
dürfnissen der Zeit angemessene Verfassung“ sei notwendig. Als eine 
solche könne nur eine „repräsentative Verfassung“ gelten: das preußische 
Volk, welches im Kriege „ein seltenes Beispiel staatsbürgerlicher Tugend 
und Treue gegen den König“" gegeben habe, verdiene eine solche 
Verfassung, und der König sei entschlossen, sie zu erlassen. Der 
Kommission wurde sodann kundgegeben, es werde nicht beabsichtigt, „Ein- 
gesessene aus den Provinzen“ an den Beratungen teilnehmen zu lassen, 
es solle vielmehr dasjenige, worüber solche „Eingesessene“ Auskunft 
geben könnten, nämlich der Bestand der in den einzelnen Provinzen vor- 
handenen oder früher vorhanden gewesenen ständischen Einrichtungen, 
an Ort und Stelle durch Kommissare festgestellt werden: Mitglieder 
der Kommission, welche die Provinzen zu diesem Zwecke zu bereisen 
hätten. Demgemäß wurde verfahren: die der Kommission angehörenden 
Minister v. Altenstein, v. Beyme, v. Klewiz begaben sich in die ihnen 
zugewiesenen Provinzen und bemühten sich — vielfach erfolglos —, 
das jemals Bestandene zu ermitteln. Sie befragten gegen 300 Personen, 
meist Rittergutsbesitzer, eine kleine Zahl von Bürgem und ganz wenige 
Bauern, über ihre Meinung über das Vorhandene und Wünschens- 
werte, nahmen auch Petitionen und Denkschriften entgegen. „Zieht 
man“" so urteilt der beste Kenner dieser Vorgänge, v. Treitschke (a. a. O. 
2 288), die „Summe aus dem Gewirr der zumeist treuherzig, mit 
deutschem Freimut vorgetragenen Ansichten, so erhellt unwidersprechlich: 
eine durchgebildete öffentliche Meinung oder gar ein leidenschaftlicher 
Volkswille, der auf die Krone hätte drücken können, bestand noch nicht; 
die altständische Bewegung fand nicht nur kein Gegengewicht im Volke, 
sondern eine starke Unterstützung an dem naiven Partikularismus der 
Provinzen.“ So wurden bezeichnenderweise Provinzialstände überall, 
allgemeine Reichsstände dagegen nicht häufig gewünscht, und ganz 
vereinzelt nur wurde (von dem nachmaligen Finanzminister v. Motz) 
der Gedanke vertreten, im Interesse der Staatseinheit nur Reichs- 
stände ohne provinzialständischen Unterbau einzuführen. So bot das 
Ergebnis der Informationsreise denen, die danach suchten, Gründe, oder
	        
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