des religionsgesellschaftlichen Selbstbestimmungsrechts. 309
lichenfalls gesetzlich neu zu ordnenden Aufsichtsgewalt des Staates.
Die hiermit bezeichnete Aufgabe war den verschiedenen Religions-
gesellschaften gegenüber eine sehr verschiedene.
Bei den lleineren, nicht landeskirchlichen (im Sprachgebrauch der
vorkonstitutionellen Zeit „geduldeten“, s. oben S. 185, 250, 251) Religions-
gesellschaften brauchte sie nicht erst gelöst zu werden, weil sie bereits
gelöst war, indem diese Gesellschaften ihre Angelegenheiten immer schon
selbständig verwaltet hatten.
Der katholischen Kirche gegenüber war die Lösung leicht, da
diese Kirche schon vor der Verfassung einen eigenen, de iure zwar
als Gliederung des Staatsorganismus geltenden, faktisch aber von
diesem vollkommen getrennten, in sich selbständigen Regierungs- und
Verwaltungsapparat besaß, vermöge dessen sie zum sofortigen Antritt
der durch Art. 15 gewährten Autonomie ebenso fähig wie bereit war.
Viel schwieriger und weitschichtiger dagegen gestaltete sich die
Aufgabe der Verwirklichung des Art. 15 hinsichtlich der evangelischen
Kirche, denn hier war die Verbindung der kirchlichen mit den staat-
lichen Einrichtungen enger als bei allen andern Religionsgesell-
schaften, es war eine Verbindung, die mit Recht (Woltersdorf, Das
preußische Staatsgrundgesetz und die Kirche (18731, 441) als eine völlige
Verwickelung der Kirche mit dem Staatswesen bezeichnet worden ist.
Der Art. 15 hatte nicht die Zauberkraft, diese Verwickelung sofort zu
lösen, der evangelischen Kirche mit einem Schlage die organisatorische
Selbständigkeit zu geben, welche die unentbehrliche Voraussetzung des
von ihm proklamierten Selbstbestimmungsrechts ist. Hierüber bestand
bei dem Zustandebringen des Art. 15 kein Zweifel. Die ministeriellen
„Erläuterungen“ bezeichnen es als selbstverständlich, „daß die geschichtlich
entwickelte, sich an den Staat anlehnende Verfassung der evangelischen
Kirche, mithin auch die Wirksamkeit der damaligen Behörden, fort-
bestehen muß, bis ein anderer Rechtszustand begründet sein wird“,
und auch bei den Revisionsverhandlungen (val. die sorgfältige Wieder-
gabe derselben bei Woltersdorf a. a. O. 447 ff.) wurde zwar die Un-
verträglichkeit der bestehenden, auf das landesherrliche Kirchenregiment
gegründeten Konsistorialverfassung der evangelischen Kirche richtig erkannt
und vielfach betont, aber nicht bestritten, daß diese Verfassung vorerst
in Kraft bleibe, solange sie durch den, der kraft seiner fortdauernden
Stellung als Träger des Kirchenregiments hierzu allein befugt sei,
durch den König, nicht abgeändert werde.
Diese Abänderung ist, im Sinne der vom Art. 15 vorausge-
setzten Selbständigkeit der Organisation, schrittweise erfolgt (vgl. zum