Wachsender Einfluß der Verfassungsgegner 1817—1819. 13
doch Vorwände genug, um die Ausführung der V. v. 22. Mai 1815,
welche, wie man behaupten konnte, von weiten Kreisen im Lande gar
nicht verlangt wurde, auf die lange Bank zu schieben. Und die Ver-
fassungsgegner waren seit dem Spätjahr 1817 an Zahl und Einfluß
im Wachsen.
Zu ihnen muß man von da ab vor allem den Koönig selbst
rechnen, der, hierin unter Gekrönten und Ungekrönten im damaligen
Deutschland nicht allein stehend, sich durch die Begeisterung der
deutschen Jugend für Einheit und Freiheit des Vaterlandes, durch den
unklaren, aber so gar nicht staatsgefährlichen Enthusiasmus des
studentischen Wartburgfestes und ähnlicher Kundgebungen bange machen
ließ, darin nichts als den Geist des Aufruhrs sehen wollte und sich in
dieser reaktionären Verstimmung von allen konstitutionellen Gedanken
und Plänen langsam, aber immer entschiedener abzuwenden begann.
Bestärkt wurde Friedrich Wilhelm III. in dieser Abwendung namentlich
durch Metternich, mit dem er auf dem Aachener Kongreß (November
1818) hinter dem Rücken seines Staatskanzlers die preußische Verfassungs-
frage eingehend besprach. Metternich riet dem Könige in einer zu diesem
Zwecke ausgearbeiteten Denkschrift (v. Treitschke 2 489), höchstens Pro-
vinzialstände, nicht aber eine zentrale Repräsentation zuzugestehen,
welche letztere nicht sowohl die monarchische Gewalt als die Machtstellung
des Staates untergraben werde. So verkehrt das war, der König
glaubte es und war damit innerlich schon für den Gedanken gewonnen,
der dann seine endgültige Entscheidung in der Verfassungsfrage be-
stimmt hat und an dem er sein Lebenlang festgehalten hat: Provin-
zialstände, aber keine Reichsstände. —
Währenddem wurde an dem Verfassungswerke, wenn auch langsam,
weitergearbeitet. Im Januar 1819 wurde W. v. Humboldt zum Mit-
gliede des Staatsministeriums ernannt und mit der Leitung eines be-
sonders für ihn geschaffenen, die ständischen Angelegenheiten mitum-
fassenden Ressorts betraut. Damit trat einer der aufrichtigsten
Bekenner des konstitutionellen Staatsgedankens (vgl. Humboldts Wirksam-
keit auf dem Wiener Kongreß, oben 8, sowie seine Denkschriften über die
ständische Verfassung vom Februar und Oktober 1819, v. Treitschke
2 498 ff., E. v. Meier, Französ. Einflüsse 2 482 ff.) in den Rat der Krone
ein. Jedoch ohne Erfolg für die von ihm vertretenen Ideen. Hum-
boldt war von vornherein zur Einflußlosigkeit verurteilt, da der Staats-
kanzler in ihm (und nicht ohne Grund, wie die aktenmäßige Darstellung
Treitschkes beweist) einen gefährlichen, auf seinen, Hardenbergs, Sturz
finnenden Nebenbuhler erblickte und ihn dieserhalb von den wichtigsten