314 Artikel 16. Subjelte der kirchlichen Selbstverwaltung.
nicht; jedenfalls sind sie solche, für deren Regelung die Staatsgesetz-
gebung ausschließlich zuständig, die den Religionsgesellschaften durch
Art. 15 eingeräumte Autonomie schlechthin unzuständig ist (richtig
Hinschius a. a. O.). Keine Religionsgesellschaft kann sich selbst oder
ihren Gliederungen Rechtsfähigkeit beilegen (s. auch oben S. 258).
Die Bestimmung des Subjektes der kirchlichen Selbstverwaltung
ist also keine innerkirchliche Angelegenheit. Innerkirchliche Angelegenheit
dagegen ist die Bezeichnung der Personen, d. h. der Individuen, welche
Träger und Organe dieser Selbstverwaltung sein sollen. Diese
Angelegenheit unterliegt mithin der durch Art. 15 gewährten Auto-
nomie. In der Fähigkeit jeder Religionsgesellschaft, ihre Ange-
legenheiten zu ordnen und zu verwalten, ist das Recht der Selbst-
organisation inbegriffen. Auch dieses Recht versteht sich, wie die gesamte
Autonomie des Art. 15, unter Vorbehalt der gesetzlich geordneten Auf-
sicht des Staates (vgl# oben S. 293, 305, unten S. 315ff., 328ff. und
bei Art. 18 S. 352) und unter Vorbehalt ferner des selbstverständlichen
Grundsatzes, daß die kirchliche Autonomie in Rechte Dritter, insonder-
heit des Staates, nicht eingreifen und staatsgesetzliche Vorschriften
(also auch staatsgesetzlich festgelegte kirchliche Einrichtungen) nicht ab-
ändern kann. Mit dieser Maßgabe überläßt es Art. 15 den Religions-
gesellschaften, ihre Organisation und Verwaltung nach Gefallen einzu-
richten und läßt eben deshalb den bestehenden organisatorischen Zustand
(insbesondere auch den der evangelischen Landeskirche, oben S. 309)
unberührt. —
Es erübrigt in diesem Zusammenhange noch die Bemerkung, daß
der vorstehend geschilderte, durch Art. 15 bzw. unter seiner Herrschaft
durch Spezialgesetze hergestellte Rechtszustand durch die Aufhebung
des Artikels — Gesetz vom 18. Juni 1875, oben S. 282 — nicht
beseitigt worden ist, wie denn, was insbesondere die evangelische
Kirche anlangt, deren Selbständigkeit gerade nach Aufhebung des
Artikels erst voll entwickelt und ausgebaut wurde. Die Aufhebung
hat die bestehende Kirchenfreiheit nicht selbst wieder aufheben, sondern
nur das Recht des Staates statuieren wollen, diese Freiheit im Wege
der einfachen Gesetzgebung (ohne Verfassungsänderung) zu beschränken.
Vgl. hierher Hinschius, Preußisches Kirchenrecht 16 und OG 8 390ff.
43 170.
5. Die derogatorische Wirkung des Art. 15. — Art. 15 trennt
Staat und Kirche. Wie diese Trennung zu verstehen ist, lehren die
bisherigen Ausführungen, val. insbesondere S. 297 ff., 300 ff., 304. Der
Artikel statuiert die Verschiedenheit von Kirche und Staat und verfügt