Artikel 15. Derogatorische Wirkung des Artikels. 321
der Kirche und des Staates“ (vgl. Hinschius a. a. O. 329 N. 68)
bezeichnet wurde, verlor ihre Berechtigung in dem Augenblicke, als ihr
durch Aufhebung des Prinzips der organschaftlichen Eingliederung der
Kirche in den Staat die Grundlage entzogen wurde. Letzteres ist, wie
oben S. 300, 313 erörtert, durch Art. 15 geschehen, und damit hörten die
landeskirchlichen Geistlichen (die der andern, minderen Religionsgesell-
schaften waren schon nach dem vorkonstitutionellen Recht keine mittel-
baren Staatsdiener gewesen) auf, Staatsbeamte im Sinne der §5 19,
96 h. t. zu sein. Darüber waren sich die leitenden staatlichen und
kirchlichen Instanzen auch von vornherein klar; val. die bei Vogt, Kirchen-
und Eherecht der preußischen Staaten 1 44 ff. abgedruckte Denkschrift der
Abteilung des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten für die
evangelischen Kirchensachen vom 18. Februar 1850 und den als Antwort
darauf ergangenen Erlaß des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten
vom 6. März 1850, worin mitgeteilt wird, daß das Staatsministerium
in Übereinstimmung mit der Denkschrift entschieden habe, daß die Geist-
lichen nicht mehr als Staatsbeamte anzusehen, mithin auch nicht gemäß
Art. 108 der Verfassung als solche zu vereidigen seien. Eine KO vom
8. April 1850 hat sodann verfügt, daß in der Diensteidformel der Geist-
lichen — s. oben — die Worte „und des Staates“ zu streichen seien.
(Vgl. zu letzterem auch Hinschius a. a. O 329 N. 68 und OVG 8
3960 f.). Durch die neuere Literatur und Rechtsprechung ist dann die
Frage nach der rechtlichen Natur des geistlichen Kirchendienstes immer
klarer und schärfer im Sinne der Vereinung der Staatsbeamten-
qualität entschieden worden; vgl. Hinschius a. a. O. und 15 N. 31,
Schoen, Epvangelisches Kirchenrecht 2 47, Vollert, Sind in Preußen
Kirchendiener Staatsbeamte? (1908) 55 ff. und O# 8 390 ff., 19
420 ff., 435 ff. Praktisch wichtige Folgen dieser Auffassung sind z. B.,
daß wegen Amtshandlungen eines Geistlichen der — lediglich zugunsten
von Staatsbeamten zulässige — Konflikt nicht erhoben werden kann
(vgl. die angeführten Entscheidungen des O#), sowie daß das Dis-
ziplinarrecht der Staatsbeamten auf Geistliche als solche keine Anwen-
dung findet (der im Entwurf des Gesetzes über die Dienstvergehen der
nichtrichterlichen Beamten vom 21. Juli 1852 enthaltenen Satz: „Dieses
Gesetz ist nicht anwendbar auf Geistliche und Kirchenbeamte“ wurde bei
der parlamentarischen Beratung als überflüssig gestrichen, vgl. v. Rhein-
baben, Diesziplinargesetze 45, 46).
Der Geistliche wird auch dadurch nicht zum Staatsbeamten, daß
ihm im Nebenamte kirchenregimentliche Funktionen übertragen werden, wie
dies bei den Superintendenten der evangelischen Landeskirche der
Anschütz, Preuß. Verfassungs-Urkunde. I. Band. 21