Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 15 als Garantie. 333 
Aus dem durch Art. 15 ausgesprochenen Grundsatz der Trennung 
von Staat und Kirche konnte, wie Erfahrungen lehrten und wie dies 
auch im Eingang des oben wiedergegebenen Teils der „Erläuterungen“ 
angedeutet ist, gefolgert werden, daß mit dem alten Staatskirchentum 
nicht sowohl die besondern Rechte als vielmehr auch die besondern 
Pflichten des Staates gegenüber der Kirche verschwunden, daß ins- 
besondere alle der Kirche bisher vom Staate gewährten finanziellen 
Unterstützungen ihres Rechtsgrundes verlustig gegangen und einzustellen 
seien. Diese Folgerung, die Aufhebung des staatlichen „Kultusbudgets“ 
(ugl. französisches Gesetz vom 9. Dezember 1905 über die Trennung 
der Kirchen vom Staate, art. 2 . . En conséquence (sc. der 
Trennungs seront supprimés des budgets de I’Etat, des departements 
et des communes, toutes dépenses rélatives à T’exercice des 
cultes.“) lehnt jedoch der mit „und bleibt“ anhebende Satz des 
Art. 15 ausdrücklich ab, im Einklang mit der um 1848 in Deutsch- 
land, auch in den Kreisen des den Trennungsgedanken vertreten- 
den Liberalismus, herrschenden Anschauung, wonach der Staat die 
Kirche freilassen, ihre Geldbedürfnisse aber von seinem Budget nicht 
streichen soll (vol. Rotenbücher, Trennung von Staat und Kirche 
103, 104). 
Bei Auslegung des Satzes „.und bleibt" . . ist zunächst zu 
beachten der Ausdruck „bleibt". „Bleibt .." heißt: der bestehende 
Zustand soll zum Nachteil der Kirche nicht geändert werden. Die 
Trennung vom Staat beraubt die Kirche weder ihres eigenen Ver- 
mögens noch ihrer Rechte gegen den Staat oder Dritte. Vermögen, 
welches kirchlichen Zwecken bisher gewidmet war — Kirchengut in 
diesem Sinne — soll seinem Zwecke erhalten bleiben, der Staat soll 
aus der Trennung nicht das Recht herleiten dürfen, Kirchengut zu 
sekularisieren oder sich seinen Verpflichtungen gegenüber der Kirche zu 
entziehen. Alles soll in statu quo bleiben, bestehende Rechte und 
Pflichten sollen nicht aufhören, aber auch neue nicht begründet werden. 
Die Befürchtung des Abg. Ammon (oben S. 285), daß die Kirche aus 
dem Satze einen „modus acquirendi entnehmen und dasjenige in 
Anspruch nehmen könnte, was zwar für ihre Zwecke bestimmt ist, 
worauf sie aber kein Recht hat,“ war, wie bei den Revisionsverhandlungen 
zutreffend hervorgehoben wurde (s. oben S. 286; vgl. außerdem noch 
die Bemerkung v. Gerlachs, I. K. 1002: „durch das Wort „bleibt" 
ist angedeutet, daß der Artikel keine neuen Rechte zuwenden soll“) 
unbegründet und ist der darauf gebaute Zusatzantrag, „soweit sie (die 
Kirche) darauf ein Recht hat oder erwirbt“ (oben S. 286) schon
	        
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