Artikel 16. Staatliche Genehmigung kirchlicher Rechtsnormen. 345
Gemeinden und Synodalverbände gegenüber geschehen. Die hierüber
(bei Einführung der Presbyterial- und Synodalverfassung) für die
Landeskirchen der älteren und neueren Provinzen erlassenen staats-
gesetzlichen Bestimmungen sind am eingehendsten dargestellt von Schoen,
Evangelisches Kirchenrecht 1 176 ff., 2 249 ff. Hervorzuheben ist:
1. Kirchengesetze (auch Provinzialgesetze der altpreußischen
Landeskirche) sind dem Könige zur Sanktion erst vorzulegen, nachdem
eine Erklärung des Staatsministeriums darüber herbeigeführt worden
ist, ob gegen den Erlaß des betreffenden Kirchengesetzes von Staats wegen
etwas zu erinnern sei (G. betr. die evangel. Kirchenverfassung in
den acht älteren Provinzen der Monarchie vom 3. Juni 1876, Art. 13
Abs. 2 in der Fassung des G. vom 28. Mai 1894 GS 871, 5 2;
die entsprechenden Vorschriften für die neuen Provinzen s. bei Schoen
a. a. O. 1 176 N. 2). Die Einholung dieses staatsministeriellen
„Unschädlichkeitszeugnisses“ ist kirchen= und staatsoberhauptliche Pflicht
des Königs, der Inhalt des Zeugnisses für ihn insofern nicht bindend,
als er den Gesetzentwurf auch dann sanktionieren kann, wenn das
Staatsministerium etwas zu „erinnern“ gefunden hat. Ob ein solcher-
gestalt zustandegekommenes Kirchengesetz gültig oder (wegen Wider-
spruchs mit einem Staatsgesetz) ungültig ist, haben die zu seiner An-
wendung berufenen Behörden, insbesondere die Gerichte (Art. 106
Abs. 2 der Verfassung findet auf kirchenregimentliche Verordnungen des
Königs keine Anwendung, s. das Nähere bei Art. 106) frei zu prüfen;
dieses Prüfungsrecht wird weder durch die königliche Sanktion noch
durch die ordnungsmäßige Verkündigung, noch endlich dadurch aus-
geschlossen, daß das Staatsministerium das „Unschädlichkeitszeugnis“
bereitwillig erteilt hat (vgl. Hinschius, Preuß. Kirchenrecht 229 N. 25,
Schoen a. a. O. 2 249 N. 3).
Gewisse Kategorien von Kirchengesetzen unterliegen einer noch
weitergehenden staatsaufsichtlichen Kontrolle, indem zu ihrer Sanktion
teils die Zustimmung des Staatsministeriums, teils ein bestätigendes
Staatsgesetz erfordert wird (s. das Nähere bei Schoen 1 177).
2. Statutarische Anordnungen der kirchlichen Orts= und
Kreisgemeinden bedürfen zu ihrer Feststellung der vorgängigen An-
erkennung der Staatsbehörde (des Regierungspräsidenten), daß die
entworfenen Bestimmungen den staatsgesetzlich genehmigten Vorschriften
der Kirchengemeinde= und Synodalordnung nicht zuwider seien (G.
über die evangel. Kirchenverfassung vom 3. Juni 1876, Art. 4, 7;
die einschlägigen Vorschriften der Gesetze für die neuen Provinzen
s. bei Schoen 1 178 N. 1).