Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 18. Staatlicher Einfluß auf die Besetzung von Kirchenämtern. 359 
gesehen — nur auf die katholische Kirche und zwar auf deren „geist- 
liche Amter“, ausgenommen wiederum diejenigen, welche unter die Vor- 
behalte des Art. 18 (oben 354ff.) fallen und deren Besetzung daher durch 
anderweite Vorschriften der staatlichen Einwirkung unterstellt ist (Gesetz 
vom 11. Mai 1873 5 29). Geistliche Amter im Sinne des Gesetzes 
sind nicht bloß Pfarr- und andere Seelsorgeämter, sondern alle, deren 
Wirkungskreis sich auf die geistlichen Funktionen (Gegensatz: Re- 
gierungsfunktionen) der Kirche, also auf gottesdienstliche, seelsorgerische, 
lehramtliche Tätigkeiten erstreckt (nähere Erörterungen bei Hinschius, 
Preußisches Kirchenrecht 50—52 N. 36). Innerhalb des hiermit be- 
zeichneten Kreises geistlicher Amter ist sodann durch die Novellen zu dem 
Gesetz vom 11. Mai 1873 die Anwendbarkeit des Einspruchsrechts noch 
weiter beschränkt worden. Dem Einspruch unterliegt nicht die Über- 
tragung von Seelsorgeämtern, deren Inhaber unbedingt abberufen 
werden dürfen (Gesetz vom 11. Juli 1883 Art. 1) und gleichfalls nicht 
die bloß provisorische oder vertretungsweise Besetzung eines Pfarramts. 
„Das Einspruchsrecht gilt fortan nur für die dauernde Ubertragung 
eines Pfarramts“ (Gesetz vom 29. April 1887 Art. 2 K 1). Soweit das 
Einspruchsrecht platzgreift, ist der Kandidat für die betreffende Stelle 
dem Oberpräsidenten unter Bezeichnung des Amtes zu benennen. Der 
Einspruch kann von dem Oberpräsidenten innerhalb 30 Tagen nach der 
Benennung erhoben werden (Gesetz vom 11. Mai 1873 F+ 15); er kann 
nur darauf gestützt werden, daß 
1. dem Anzustellenden die gesetzlichen Erfordernisse zur Bekleidung 
des geistlichen Amtes fehlen (Gesetz vom 11. Mai 1873 f 16) oder 
2. der Anzustellende aus einem auf Tatsachen beruhenden Grunde, 
welcher dem bürgerlichen oder staatsbürgerlichen Gebiete angehört, für 
die Stelle nicht geeignet sei (Gesetz vom 29. April 1887 Art. 2 52). 
Artikel 10. 
Die Einführung der Givilehe erfolgt nach Maßgabe eines 
besonderen Gesetzes, was auch die Führung der Givilstands- 
register regelt. 
1. Entstehungsgeschichte. — Vor dem Jahre 1848 bestand die 
„Zivilehe"“, d. h. der Grundsatz, daß die Vornahme bzw. Beurkundung 
der Eheschließung behufs Begründung der bürgerlichen Wirkung der 
letzteren nicht von kirchlichen, sondern von staatlichen Behörden zu be- 
wirken ist, in Preußen nur in folgendem Umfange: 1. im Gellungs-
	        
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