368 Artikel 20—26. Bedeutung der Suspension.
fundament, das Schulgeld, entziehen ohne zuvor für Ersatz gesorgt zu
haben, was nur durch besondere im Wege der Gesetzgebung zu er-
lassenden Vorschriften geschehen konnte.
Hieraus folgte, daß man den Verfassungsbestimmungen über das
Schul= und Unterrichtswesen dasjenige Maß von Gesetzeskraft nicht
beilegen konnte, welches den übrigen „Rechten der Preußen“ zweifel-
los innewohnt: die Kraft und Bedeutung aktuellen, ohne weiteres an-
wendbaren und anwendungspflichtigen Rechts (vgl. oben S. 94, 95
111, 303). Es blieb nichts anderes übrig, als die hier in Rede stehen-
den Verfassungsbestimmungen vorläufig zu fuspendieren und ihre
Inkraftsetzung der Ausführungsgesetzgebung zu überlassen. Diese Be-
stimmungen sind demnach, was die Normen der Verfassung sonst und
im allgemeinen nicht sind: sie sind vorerst und bis auf weiteres — bis
zu ihrer Ein= und Ausführung durch die Spezialgesetzgebung —
bloße Direktiven für den Gesetzgeber; freilich nicht unverbindliche,
sondern rechtsverbindliche Direktiven, von denen bei der gesetzlichen Rege-
lung des Schul= und Unterrichtswesens nur unter Anwendung des für Ver-
fassungsänderungen vorgeschriebenen Verfahrens abgewichen werden darf.
Die hiermit bezeichnete „Suspension“ der Art. 20—25 erstreckt sich auf
ihren Gesamtinhalt, soweit dieser Materien des Schul= und Unterrichts-
wesens betrifft (nur Art. 20 handelt teilweise von anderen Dingen),
ohne Unterschied, ob die Verfassungssätze von dem vorkonstitutionellen
Recht sachlich abweichen oder mit ihm übereinstimmen. So sind auch die
den Art. 20—25 entsprechenden Art. 17ff. oktr V seitens der Unterrichts-
verwaltung von Anfang an aufgefaßt worden (vgl. unten bei Art. 26),
ohne daß man es für erforderlich hielt, diese — verständliche aber
nicht selbstverständliche — Auffassung gesetzgeberisch zum Ausdruck zu
bringen. Es war dies ein Fehler, den man zunächst im Verwaltungs-
wege zu korrigieren suchte (Erlaß des Unterrichtsministeriums vom
14. Dezember 1848, s. unten S. 488), dann aber, bei der Revision, auf
dem allein richtigen und möglichen Wege, durch Einfügung einer die
Suspension der Art. 20—25 aussprechenden Bestimmung in den Ver-
fassungstext beseitigt hat. Diese Bestimmung war Art. 112, der durch
das Gesetz vom 10. Juli 1906 aufgehoben und mit dem Art. 26 (pgl.
die Ausführungen zu diesem Artikel) vereinigt worden ist.
Inwieweit die einzelnen Bestimmungen der Art. 20—25 noch heute
„Zukunftsrecht“ oder, vermöge der in Tätigkeit getretenen Ausführungs-
gesetzgebung, aktuell geltendes Recht darstellen, wird bei jedem Artikel
erörtert werden.